Karamell: Naschkatzen aufgepasst
Auf der Website des Lebensmittelchemischen Instituts des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie e.V. (lci-koeln.de) ist zu lesen: Der deutsche Begriff Karamell stammt vom französischen „caramel“, das vom spanischen bzw. portugiesischem „caramelo“ übernommen wurde, was „Zuckerrohr“ bzw. „gebrannter Zucker“ bedeutet.
Zuckerschmelze und -umwandlung
Hergestellt wird Karamell aus Haushaltszucker (Saccharose), der unter dem Einfluss starker, trockener Hitze Wasser verliert. Bei 135 Grad Celsius beginnt er, zu einer klaren Masse zu schmelzen. Diese wird „weicher Bruch“ genannt und im Konditorhandwerk zum Glasieren von Früchten, für Spinnzucker (z. B. Zuckerwatte) und Zuckerdekorationen verwendet.
Ab 150 Grad Celsius setzt die eigentliche Karamellisierung ein, wobei sich Farbe und Geschmack der Schmelze ändern. Je heißer, desto dunkler wird die Farbe und desto herber der Geschmack. Für goldbraunen Karamell, auch „starker Bruch“ genannt, sind Temperaturen von 180 bis 200 Grad Celsius erforderlich. Erkaltet hat Karamell ein durchscheinendes Aussehen und ist von glasartiger, hart-brüchiger Konsistenz. Er enthält keinerlei Zusatzstoffe, weil die Karamellisierung eine reine „Stoffumwandlung“ ist.
Aus der Wissenschaft
Obwohl Karamell zu den ältesten Naschereien überhaupt gehört, wusste bis vor wenigen Jahren niemand, welche Reaktionsprodukte bei dessen Zubereitung entstehen. Gelüftet wurde das süße Geheimnis vor etwa zehn Jahren an der Jacobs University in Bremen. Ein dortiges Chemiker-Team entwickelte eine massenspektrometrische Methode, die es erstmals ermöglichte, die chemische Zusammensetzung von Karamell zu analysieren.
Das Ergebnis: Karamell enthält nur noch rund zehn Prozent Zucker. Alle anderen Komponenten, über 4.000 verschiedene Stoffe, haben sich neu gebildet. Von besonderem Interesse ist die Kenntnis über diese Stoffe, weil sie nicht nur im Karamell selbst enthalten sind, sondern auch in erhitzten zuckerhaltigen Nahrungsmitteln. Ebenfalls eine Unbekannte war bis vor wenigen Jahren der Geruchsrezeptor, der entscheidend zum Sinneseindruck von Karamell beiträgt. Den Karamell-Rezeptor identifiziert haben Forschende des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB). Der Rezeptor nimmt Furaneol wahr, die Schlüsselsubstanz des Karamellgeruchs.
Verwendung als Hilfsstoff
Egal ob Lebensmittel gelb, rot, braun oder schwarz gefärbt sind, die Mehrheit enthält Farbstoffe auf Karamellbasis – genannt Zuckercouleur, auch Zuckerkulör. Die verschiedenen Farbtöne werden durch die Wahl der Temperatur (je heißer, je schwärzer) und durch Reaktionsbeschleuniger (z. B. Sulfit, Ammoniumcarbonat) beim Erhitzen erreicht. Bekannte damit gefärbte Lebensmittel sind Cola, alkoholische Getränke (z. B. Alcopops, Rum, Whiskey), Wurstwaren, Fertigsoßen und Süßwaren. Für die heimische Küche gibt es Zuckercouleur im Lebensmittelhandel zu kaufen. Auch als Aromastoff spielt Karamell eine Rolle. So sind in der Gelben Liste 25 Arzneimittel mit Karamell-Aroma zu finden: Antibiotika-Pulver zum Herstellen einer Suspension, Antazida, Hustenmittel, Psychopharmaka und andere.
Maillard-Reaktion
Nicht zu verwechseln ist die Karamellisierung mit der Maillard-Reaktion, bei der reduzierende Zucker (z. B. Glukose, Laktose) mit Eiweißkomponenten zu gebräunten Endprodukten reagieren: etwa beim Grillen, Toasten, Rösten, Frittieren, Braten und Backen. Oftmals laufen dabei Karamellisierung und Maillard-Reaktion gleichzeitig ab.
Einige Beispiele von sehr, sehr vielen sind das Backen von Kleingebäck, das Rösten von Kaffeebohnen und das Herstellen von Bier. Für Bier wird Grünmalz (aufgekeimte Gersten- oder Weizenkörner) getrocknet, wobei Dauer und Ausmaß der Trocknungstemperatur darüber entscheiden, welcher Malztyp entsteht. Dieser wiederum bestimmt das Endprodukt helles oder dunkles Bier. Die Zugabe von karamellisierten Spezialmalzen und braunem Kandiszucker (s. u.), wie beispielsweise bei belgischen Starkbieren üblich, bereichern den Geschmack beziehungsweise erhöhen die Stammwürze. Zur Maillard-Reaktion kommt es zudem, wenn Karamell, Sahne und/oder Butter zugefügt werden.
Karamell, Sahne, Butter
Der Begriff Karamell wird umgangssprachlich auch für Karamell-Zubereitungen mit Sahne und/oder Butter genutzt. Ein bekanntes Beispiel ist Salzkaramell. Allen Rezepten ist gemeinsam, dass zunächst Zucker zu goldbraunem Karamell geschmolzen wird und diesem im noch flüssigen Zustand Sahne und/oder Butter sowie Salz beigemengt werden. Toffees und Fudges gehören zum Sammelbegriff Weichkaramell. Ihnen wurde ebenfalls Sahne und/oder Butter zugesetzt, wie auch den Produkten der Marke Werther‘s Original.
Ihren Ursprung hat die Karamell-Spezialität, die früher Werther’s Echte hieß, in der Kleinstadt Werther (Kreis Gütersloh). Hier wurde von August Storck im Jahr 1903 die Werther‘sche Zuckerwarenfabrik gegründet, die heute unter August Storck AG firmiert und Werther’s Original weltweit erfolgreich vermarktet. Die Originalrezeptur aus dem Jahr 1909 wird dem Zuckerbäcker Gustav Nebel zugeschrieben.
Bayrisch Blockmalz
Ein Anteil von mindestens fünf Prozent Malzextrakt, wie er auch zur Bierherstellung verwendet wird, gibt dem Hartbonbon seinen malzig-süßen Geschmack. Typisch für die dunkelbraunen Lutschbonbons sind ihr Gewicht von sechs bis neun Gramm und ihre grob gestanzte Blockform. Beliebt sind die Bonbons als Nascherei für zwischendurch. In heißer Milch aufgelöst gelten sie als Hausmittel bei Husten und Heiserkeit.
Zu letzterem Zweck hat sie der Apotheker und Medizinalrat Dr. Carl Soldan ursprünglich entwickelt. Basis der Spezialität war die lange bayerische Mälzertradition in enger Verbindung mit dem Bayerischen Bier. Seit dem 21. November 2018 ist Bayrisch Blockmalz als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) im E-Ambrosia-Register der EU eingetragen.
Brauner Kandiszucker
Kandis („süßer Edelstein“, große Zuckerkristalle) hat eine lange Tradition, die im neunten Jahrhundert in der arabischen Welt begann und ihn zunächst als Heilmittel bekannt machte. Heute ist Kandis weltweit zum Süßen von Tee und anderen Getränken begehrt und ein nicht wegzudenkender Bestandteil der ostfriesischen Teekultur. Kandis entsteht sehr langsam aus hochkonzentrierter Zuckerlösung (Zuckersirup) in speziellen Kristallisierungsbehältern. Darin wird die Lösung ständig in Bewegung gehalten, damit sie die einzelnen Zuckerkristalle umfließen kann und diese zu großen Exemplaren heranwachsen. Für weißen Kandis wird heller Zuckersirup und für braunen Kandis karamellisierter Zuckersirup verwendet.
Das Kristallisationsverfahren braucht Zeit: Ein Kandis erreicht nach fünf Tagen eine Größe von etwa vier Millimetern. Bis er zu einem großen Kluntje (ostfriesische Bezeichnung) von 18 bis 24 Millimetern wird, braucht er zwei bis drei Wochen. Übrigens: Laut Wikipedia haben die Ostfriesen weltweit den höchsten Pro-Kopf-Teekonsum. Die ostfriesische Teekultur wurde im Jahr 2016 in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.