Schwangerschaft: Medikamente – ja oder nein?

In der Schwangerschaft sind einige Arzneimittel kontraindiziert oder nur mit Vorsicht anzuwenden. Das erschwert Verordnung und Empfehlung. Für die Dosis gilt generell: so hoch wie nötig, so niedrig wie möglich.

von Kirsten Bechtold
27.02.2025

Schwangere Frau
© Foto: Kateryna Onyshchuk / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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  • Bei der Wahl eines Medikaments für Schwangere kann die Frage: „Welche Arzneimittel bekäme ein Säugling im Falle einer Erkrankung?“ hilfreich sein.
  • Nach Möglichkeit ist eine Monotherapie anzustreben. Für die Dosis gilt: so hoch wie nötig, so niedrig wie möglich.
  • Bei Schmerzen ist Paracetamol die erste Empfehlung. Ibuprofen ist bis zur 20. Schwangerschaftswoche vertretbar. Danach sind alle NSAR kontraindiziert.
  • Bei Übelkeit und Erbrechen oder Pilzinfektionen sollten Schwangere eine Therapie mit dem Arzt besprechen.

Wer Schwangeren oder Frauen mit Kinderwunsch Medikamente gibt, möchte dies mit größtmöglicher Sicherheit tun. Das gilt für Sie in der Apotheke gleichermaßen wie für verordnende Ärzte. Oftmals ist die Abwägung zwischen Nutzen und Risiko jedoch schwierig – sowohl im Rx- als auch im OTC-Bereich. Unter dem Blickwinkel der hausärztlichen Versorgung beleuchtet ein Artikel der Ärzte Zeitung genau diese Problematik. Einige Aspekte haben wir für Sie zusammengefasst. Sie sollen auch Ihnen helfen, Schwangere sicher zu beraten. Dabei gilt grundsätzlich: Schicken Sie Schwangere lieber einmal mehr zum Arzt als zu wenig, auch, wenn es sich um ein rezeptfreies Medikament handelt, das Sie im Normalfall empfehlen würden.

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Zeitpunkt der Einnahme

Über etwaige Schäden am Embryo bestimmt vor allem der Einnahmezeitpunkt. Die ersten zwei Wochen nach Befruchtung gelten als „Alles-oder-nichts“-Phase: Entweder führt die Einnahme entwicklungstoxischer Medikamente zu einer Fehlgeburt, oder die Schäden werden repariert.

Sind Schwangere im ersten Schwangerschaftsdrittel – und hier vor allem in der Embryonalphase bis Woche acht, in der sich wesentliche anatomische Strukturen ausbilden, – embryotoxischen Medikamenten ausgesetzt, kann es zu schweren morphologischen Fehlbildungen kommen.

Im zweiten und dritten Trimenon kommt es eher zu Organreifungsstörungen, mit kleineren Anomalien und funktionellen Schäden.

Zu den bekanntesten Teratogenen, die Fehlbildungen hervorrufen können, zählen Zytostatika, Thalidomid, Retinoide (z. B. Isotretinoin), Valproinsäure und andere Antiepileptika, Mycophenolat und Vitamin-K-Antagonisten.

Wichtig-- Die Entwicklung des zentralen Nervensystems setzt sich über die ganze Schwangerschaft fort. Medikamente, die hier schädigend wirken, sind daher über die gesamte Schwangerschaft kontraindiziert. Ein Beispiel ist Isotretinoin (s. S. 44), welches nicht nur stark teratogen wirkt, sondern auch die geistige Entwicklung verlangsamen kann.

Abwägungshilfe

Ist eine medikamentöse Therapie während der Schwangerschaft notwendig, helfen folgende Fragen bei der Auswahl:

  • Welche Arzneimittel sind in der Schwangerschaft etabliert und erprobt?
  • Welche Arzneimittel bekäme auch ein Säugling im Falle einer Erkrankung?

Nach Möglichkeit ist immer eine Monotherapie anzustreben. Für die Dosis gilt: so hoch wie nötig, so niedrig wie möglich. Orientierende Information liefert die Webseite embryotox.de. Sie wird herausgegeben von einem Team des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Charité-Universitätsmedizin, Berlin, welches auch telefonisch berät. Auf der Seite sind die Medikamente farblich markiert:

  • Rot: gesicherte Teratogenitä t/ Fetotoxozität
  • Grün: Medikament der Wahl, dennoch sorgfältige Nutzen-Risikoabwägung nötig
  • Grau: widersprüchliche oder noch unzureichende Daten

Embryotox-Farbschema als Entscheidungshilfe

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© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN

Embryotox.de informiert seit 1988 über die Verträglichkeit von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit. Eine farbliche Markierung dient der Einordnung der Medikamentensicherheit. Sie orientiert sich an der Datenlage und den Erfahrungswerten in der Schwangerschaft, ersetzt aber nicht die Nutzen-Risiko-Abwägung.

Schmerzen

Bei Schmerzen ist Paracetamol die erste Empfehlung. Ibuprofen ist bis zur 20. Schwangerschaftswoche (SSW) vertretbar. Danach sollte es nicht ohne ärztlichen Rat tagelang oder über mehrere Wochen eingenommen werden. Denn es droht ein vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus Botalli. Das Gefäß verbindet beim ungeborenen Kind die Aorta (Hauptschlagader) mit der Lungenschlagader (Arteria pulmonalis). Verschließt es sich vor der Geburt, kann der Druck in der embryonalen Lunge ansteigen (pulmonale Hypertonie).

Weitere Nebenwirkung: Ibuprofen kann ein durch eine fetale Nierenfunktionsstörung ausgelöstes Oligohydramnion (Mangel an Fruchtwasservolumen) verursachen. Wegen der geschilderten Risiken für das Ungeborene sowie weiterer Risiken für die werdende Mutter bei der Geburt, wie verlängerte Blutungszeit, verzögerte Wehen oder ein verlängerter Geburtsvorgang, ist Ibuprofen ab dem dritten Schwangerschaftsdrittel (ab der 28. SSW) kontraindiziert. Das gilt auch für alle anderen nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), zum Beispiel Diclofenac und Dexibuprofen.

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© Foto: gorodenkoff / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Nicht steroidale Antirheumatika können ein durch eine fetale Nierenfunktionsstörung ausgelöstes Oligohydramnion (Mangel an Fruchtwasservolumen) verursachen. Ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) sollten sie nicht ohne ärztlichen Rat eingenommen werden. Ab der 28. SSW sind NSAR kontraindiziert.

Low-dose-Acetylsalicylsäure (75 bis 100 mg/d) ist in der ganzen Schwangerschaft erlaubt. In dieser Dosierung wirkt Acetylsalicylsäure nicht analgetisch, sondern dient etwa der Präeklampsie-Prophylaxe.

Bei Migräne, die in der Schwangerschaft besser werden kann, ist unter den Triptanen Sumatriptan am besten untersucht. Der Wirkstoff ist daher laut Embryotox Mittel der Wahl aus der Gruppe der Triptane zur Therapie von Migränekopfschmerzen während der Schwangerschaft.

Frau fasst sich an die Schläfen.


© Foto: dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Acetylsalicylsäure in einer niedrigen Dosierung von 75 bis 100 Milligramm pro Tag ist in der Schwangerschaft unproblematisch, wirkt jedoch nicht analgetisch.

Übelkeit und Erbrechen

Benötigen Schwangere wegen Übelkeit und Erbrechen Medikamente, sollten sie die Einnahme mit dem Arzt besprechen, der entsprechende Medikamente verordnen kann. Mittel der ersten Wahl sind dem Bericht der Ärzte Zeitung zufolge Antihistaminika. Erlaubt sind demnach bis 40 Milligramm Doxylamin pro Tag oder bis 100 Milligramm Meclozin täglich.

Meclozin soll weniger müde machen, ist aber in Deutschland nicht im Handel und nur über die Auslandsapotheke erhältlich. Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin (Vitamin B6) ist in Deutschland seit 2019 für die Indikation Schwangerschaftsübelkeit und -erbrechen zugelassen (Rx). Möglich ist auch Dimenhydrinat. Es kann jedoch vorzeitige Wehen fördern. Alternativen sind Vitamin B6 oder Ingwerwurzelstock.

Unter diesen Beschwerden leiden Schwangere häufig

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© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Mone Beeck

Viele akute Beschwerden von Schwangeren lassen sich auf hormonelle Veränderungen zurückführen oder darauf, dass das Kind im Bauch wächst und Druck auf das Zwerchfell oder den Magen-Darm-Bereich ausübt.

Infektionen

Treten Infektionen während der Schwangerschaft auf, ist es in den meisten Fällen ebenfalls sinnvoll, vor einer Einnahme von Medikamenten den Arzt aufzusuchen.

Bei bakteriellen Infektionen sind, abhängig vom Keimspektrum, Penicilline und Cephalosporine Antibiotika der Wahl in der Schwangerschaft. Wenn die Indikation es erfordert, können Makrolide im ersten Trimenon eingesetzt werden, etwa Azithromycin bei Keuchhusten. Nicht auszuschließen: ein möglicherweise leicht erhöhtes Risiko für Herzanomalien, vornehmlich unter Erythromycin. Bei bakterieller Vaginose kommt Clindamycin infrage.

Sorgen Viren für eine Herpesinfektion, ist Aciclovir Mittel der Wahl. Es darf auch an Schwangere systemisch verabreicht werden.

Bei Pilzinfektionen sind Miconazol und Clotrimazol lokal zu bevorzugen, alternativ Nystatin. Systemische antimykotische Therapien bleiben Individualentscheidungen.

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