Serie Fresh-up: Sulfasalazin
Müde und blass betritt Nele Wambacher die Apotheke. „Endlich habe ich die Diagnose“, berichtet die 33-Jährige der PTA und fügt hinzu: „Wenn auch keine besonders schöne. Der Gastroenterologe hat mir einen akuten Morbus Crohn bescheinigt.“ Sie überreicht der PTA die Gesundheitskarte.
Serie Fresh-up
01/2024 Lercanidipin
02/2024 Metformin
03/2024 Levothyroxin
04/2024 Paroxetin
05/2024 Lamotrigin
06/2024 Enoxaparin
07/2024 Metronidazol
08/2024 Tamoxifen
09/2024 Testosteron
10/2024 Ranolazin
11/2024 Oxycodon
12/2024 Sulfasalazin
Während diese das aktuelle Rezept herunterlädt, berichtet Frau Wambacher von ihrer Ärzte-Odyssee und den vielen unzulänglichen Versuchen, die seit Jahren auftretenden Bauchschmerzen und Durchfallphasen zu bekämpfen. „Ständig bekam ich nur zu hören, ich solle Stress abbauen, dann wird das schon wieder“, schimpft die junge Frau. Die PTA versucht, die Kundin zu beschwichtigen: „Die Symptome eines Morbus Crohn verschlimmern sich meistens wirklich unter Stress, weshalb Stressabbau sinnvoll ist, aber natürlich nicht ausreicht, um die Erkrankung in den Griff zu bekommen.“
Hintergrund
Bei Morbus Crohn kommt es zu schubweise auftretenden Entzündungen, die überall im Verdauungstrakt auftreten können, vom Mund bis zum After. Dementsprechend unterschiedlich sind die Bauchschmerzen in Bezug auf ihre Wahrnehmung und Lage. Ein akuter Schub kann mehrere Wochen lang dauern und ist von mehreren Durchfällen täglich begleitet. Viele Patienten leiden unter Übelkeit, Fieber oder erhöhter Temperatur, verlieren neben dem Appetit auch an Gewicht und zeigen Mangelerscheinungen (u. a. Vitamin B12, Folsäure, Eisen) in Form von Müdigkeit und Hautproblemen.
„Der Arzt hat Ihnen den Wirkstoff Sulfasalazin verordnet. Der Wirkstoff wird als entzündungshemmendes Akutmittel bei mildem bis moderatem Morbus Crohn eingesetzt, wenn der Dickdarm betroffen ist. Die Tabletten enthalten 500 Milligramm des Wirkstoffs. Davon nehmen Sie sechs Stück auf drei Gaben am Tag verteilt. Sollten sich die Beschwerden nicht bessern, kann der Arzt die Verordnung auf acht Tabletten erhöhen. Aber in der Regel wird einschleichend dosiert, damit sich möglichst keine Nebenwirkungen ausbilden, denn diese sind oft dosisabhängig. Sollten Sie mit Magenbeschwerden, verstärkter Übelkeit oder Erbrechen reagieren, könnte der Arzt Ihnen auch Filmtabletten mit einem magensaftresistenten Überzug verschreiben.“
„Warum hat er das denn nicht gleich getan?“, wundert sich Frau Wambacher.
„Wenn Sie viele Durchfälle am Tag haben, ist das ein Zeichen dafür, dass die Passage durch den Verdauungstrakt beschleunigt ist. Wenn sich die Filmtablette erst im Dünndarm aufzulösen beginnt, kann es passieren, dass der Wirkstoff nur unzureichend aufgenommen wird.“
Hinweise
„Auf was muss ich denn darüber hinaus noch achten?“, will die Kundin wissen. „Wenn Sie mit Schwindelgefühl oder zentralnervösen Symptomen auf das Medikament reagieren, sollten Sie darauf verzichten, Auto zu fahren oder gefährliche Maschinen zu bedienen. Weil das ein Hinweis darauf ist, dass die Medikation Ihr Reaktionsvermögen einschränkt“, erläutert die PTA.
„Bei einem Infekt unter der Therapie sollten Sie sich mit dem Arzt besprechen und sich gegebenenfalls engmaschig überwachen lassen, da der Wirkstoff neben seiner entzündungshemmenden Wirkung auch das Immungeschehen beeinflusst.. Zudem bestehen Wechselwirkungen mit vielen Antibiotika.
Vorsicht ist außerdem geboten, wenn fortschreitender Hautausschlag mit Blasenbildung oder Schleimhautläsionen auftreten. Die könnten ein Hinweis sein für eine mitunter lebensbedrohliche Hautreaktion, wie das Steven-Johnson-Syndrom oder eine toxische epidermale Nekrolyse.“
Abschließend empfiehlt sie: „Lassen Sie während der ersten drei Therapiemonate Ihr Blutbild alle zwei Wochen kontrollieren, damit der Arzt gegebenenfalls Korrekturen vornehmen kann.“
Extra
Eine weitere Befürchtung hat die Kundin noch: „Mein Freund hat gesagt, der Wirkstoff mache unfruchtbar. Wir möchten aber in nicht allzu ferner Zeit ein Kind haben.“ „Da kann ich Sie beruhigen. Das hat Ihr Freund vermutlich falsch verstanden. Nur bei Männern tritt vorübergehend eine Verminderung der Spermienzahl ein. Die ist zum Glück reversibel und für die Therapie von Frauen natürlich irrelevant. Viel wichtiger ist dagegen in Ihrem Fall eine frühzeitige Einnahme von Folsäure, denn Sulfasalazin verringert die Aufnahme des Vitamins.
Ein Folsäuremangel zu Beginn einer Schwangerschaft kann beim Ungeborenen zu Neuralrohrdefekten führen. Das Risiko sollten Sie unbedingt vermeiden. Überhaupt sollten Sie auf eine gute Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wie Eisen oder Zink achten, da diese Substanzen bei Morbus Crohn wegen einer schlechten Resorption oft Defizite aufweisen. Bei Bedarf kann ich Ihnen geeignete Produkte empfehlen.“
Wussten Sie, dass ...
- Sulfasalazin ein Prodrug ist, da erst im Dickdarm in seine wirksamen Bestandteile Sulfapyridin und 5-Aminosalicylsäure gespalten wird?
- das Arzneimittel bei Morbus Crohn dann eingesetzt wird, wenn das Colon befallen?
- Sulfasalazin auch bei Colitis ulcerosa und chronischer Polyarthritis verordnet wird?