Serie Fresh-up: Tamoxifen

Im Anschluss an die Primärtherapie aus Operation, Chemo und Bestrahlung erhalten Brustkrebspatientinnen oft Tamoxifen zur Dauertherapie. Der selektive Estrogenrezeptormodulator verringert in östrogenabhängigem Gewebe die Zellteilungsrate.

von Petra Schicketanz
30.07.2024

Frau mit sehr kurzen Haaren
© Foto: Alvarog1970 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Seit ihrer Brustkrebserkrankung ist Rebecca Kaspar als Stammkundin in der Apotheke bestens bekannt. Die PTA stand ihr häufig zur Seite, wenn es darum ging, die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu bekämpfen, oder wenn einfach nur ein offenes Ohr für die Sorgen der sensiblen Patientin gefragt war. Heute hat die Onkologin zum ersten Mal Tamoxifen 20 Milligramm verschrieben, und es ist Frau Kaspar anzusehen, dass sie das Rezept mit wechselhaften Gefühlen einreicht.

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„Erstmal darf ich Ihnen gratulieren“, überrascht die PTA daher die Kundin. „Die Verordnung zeigt, dass Sie den schlimmsten Teil Ihrer Krankheit bereits hinter sich haben.“ „Danke, das stimmt“, gibt Frau Kaspar zu, „aber ich habe Angst vor dieser Dauertherapie. Im Krankenhaus habe ich Frauen getroffen, die mir erzählten, dass sich ihr ganzes Leben verändert hat und sie sich mit einem Schlag in den Wechseljahren befanden. Dabei bin ich doch erst 32 und möchte irgendwann vielleicht noch ein Kind bekommen.“

Hintergrund

Wenn Brustkrebszellen auf ihrer Oberfläche Östrogenrezeptoren ausbilden, lassen sie sich durch das weibliche Sexualhormon Östrogen ansteuern und dementsprechend durch Modulatoren der Rezeptoren beeinflussen. Nicht nur Tamoxifen selbst, sondern vor allem seine aktiven Metabolite wirken als Zytostatika, indem sie diese Östrogenrezeptoren der Tumorzellen blockieren und dadurch die Zellteilungsrate verringern. Bei 50 bis 60 Prozent aller Frauen mit Östrogenrezeptoren im Tumorgewebe tritt beim metastasierenden Mammakarzinom eine vollständige oder teilweise Remission vor allem von Weichteil- und Knochenmetastasen ein.

Mit Hilfe einer Färbereaktion kann die Hormonempfindlichkeit des Tumorgewebes ermittelt werden. Lassen sich mindestens zehn Prozent der Zellen anfärben, gilt das Gewebe als hormonrezeptorpositiv (ER+); bereits ab einem Prozent Anfärbbarkeit zeigt sich ein Ansprechen auf eine antihormonelle Therapie.

Mittel der Wahl ist der Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) Tamoxifen, der in der Stärke 20 bis 40 Milligramm täglich eingenommen wird. Das geschieht grundsätzlich als Langzeittherapie, für die aktuell meist eine Behandlungsdauer von fünf Jahren empfohlen wird.

Tamoxifen hemmt das Wachstum hormonabhängiger
Tumoren. Es wird bei Patientinnen
nach der Erstbehandlung eingesetzt,
um das Rückfallrisiko zu reduzieren und die
Überlebenschancen zu verbessern.

Tamoxifen hemmt das Wachstum hormonabhängiger Tumoren. Es wird bei Patientinnen nach der Erstbehandlung eingesetzt, um das Rückfallrisiko zu reduzieren und die Überlebenschancen zu verbessern.
© Foto: Hannibal Hanschke / dpa / picture alliance

Hinweise

Da die Therapie die Hormonproduktion in den Eierstöcken unterdrückt, erleben die behandelten Frauen dieselben Symptome wie in den Wechseljahren, wie Zyklusstörungen oder Ausbleiben der Menstruation, sowie unter anderem Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Lustlosigkeit und Depression. Weitere häufige bis sehr häufige Nebenwirkungen sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Sensibilitätsstörungen, Hautausschlag, Haarausfall, Sehstörungen, Muskelschmerzen und Wassereinlagerungen.

Als Kontraindikationen führt der Beipackzettel Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff auf sowie die Anwendung bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit. Die Östrogen-hemmende Wirkung stört die Reifung weiblicher Reproduktionsorgane. In der Schwangerschaft kann Tamoxifen embryotoxisch wirken und zum Abort führen. Eine Schwangerschaft muss daher unbedingt ausgeschlossen werden. Frauen dürfen bis zu neun Monate nach dem Absetzen nicht schwanger werden.

Tamoxifen kann in die Muttermilch übergehen und dort akkumulieren. Deshalb ist eine Anwendung in der Stillzeit nicht empfohlen. Darüber hinaus hemmt es ab einer täglichen Dosis von 20 Milligramm die Laktation, die auch nach dem Absetzen nicht wieder eintritt, was ebenfalls dem Einsatz während der Stillzeit widerspricht.

Extra

Am Ende des Beratungsgespräches geht die PTA auf den Kinderwunsch von Frau Kaspar ein. Sie erklärt, dass es durch die Östrogen-blockierende Wirkung bei Frauen, die noch nicht in den Wechseljahren sind, zu Zyklusveränderungen bis hin zur vollständigen Unterdrückung der Menstruation kommt. Dennoch muss während der Einnahme unbedingt sicher verhütet werden, was in diesem Fall nicht mit östrogenhaltigen Kontrazeptiva geschehen darf.

Frühestens neun Monate nach dem Absetzen von Tamoxifen darf Frau Kaspar dann schwanger werden. Allerdings braucht der Organismus Zeit, bis sich ein natürlicher Zyklus wieder einstellt, der eine Schwangerschaft ermöglicht. „Bei Frauen unter 30 Jahren dauert das bis zu einem Jahr. Bei Über-30-Jährigen, die über mehrere Jahre Tamoxifen eingenommen haben, kann es jedoch passieren, dass die Fruchtbarkeit dauerhaft beeinträchtigt ist. In diesem Fall empfehle ich Ihnen, wenn es so weit ist, schulmedizinischen oder naturheilkundlichen Rat einzuholen, damit sich Ihr Wunsch am Ende noch erfüllt.“

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