Serie Heilpflanzen: Das Zipperleinskraut
- Giersch gehört zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae) und ist extrem ausbreitungsfreudig.
- Blätter, Stiele und Blüten können roh verzehrt werden, beispielsweise in Salaten oder Smoothies.
- In 100 g Blättern sind 200 mg Vitamin C, 400 µg Vitamin B1, 1600 µg Vitamin B2, 230 mg Calcium, 67 mg Magnesium und 7 g Eiweiß enthalten.
- In der Volksmedizin ist Giersch ein beliebtes Heilkraut gegen Gicht und wirkt zudem einer Übersäuerung entgegen.
Heutige Bücher über Phytotherapie vernachlässigen den Giersch, Aegopodium podagraria, gern. Vielleicht gibt es auch keine schulmedizinisch haltbaren Wirksamkeitsnachweise. Immerhin wirkt das Kraut einer Übersäuerung entgegen, was letztendlich auch zu einer Verminderung der Harnsäurekristallisierung nach sich zieht, dem Auslöser schmerzhafter Gichtattacken.
Gegen die Gicht
Spätestens seit den Werken von Wolf-Dieter Storl ist die Anwendung des Giersch als Zipperleinskraut wieder in aller Munde. Ein Gichtkraut also, denn wegen der kurzen, „zippelnden“ Schritte heißt die Gicht nämlich auch „Zipperlein“ oder Podagra. Letzteres bedeutet auf Griechisch in etwa „Fußfessel“ und beschreibt die Folgen der entzündlichen Zerstörung der Gelenke am Fuß. Heute sehen wir die Erkrankung eher als Wohlstandskrankheit, die häufig auf den übermäßigen Konsum von Fleisch, Fisch und Alkohol zurückgeht. In Zeiten, als dieser Genuss eher der wohlhabenden Bevölkerung vorbehalten war, galt die Gicht als „Krankheit der Könige“. Doch schon die Römer sollen Giersch angebaut haben, um sich gegen die schmerzhaften Folgen ihrer Fressgelage zu wappnen. Gegen akute Gichtbeschwerden legte man übrigens einen Brei aus den zerstampften Blättern auf.
Wenigstens hatten die Betroffenen in späteren Zeiten einen Schutzpatron, den sie um Erlösung von den anfallsartigen Schmerzattacken anflehen konnten: den Heiligen Gerhard. So finden wir den Giersch als Herba Sancti Gerhardi als Synonym zu Herba Podagraria in älteren Kräuterbüchern. Ein anderer Name der Gicht, nämlich Geißfuß, leitet sich nicht von der gichtigen Fußgeißel ab, sondern vielmehr von der Geiß, also Ziege. An deren Hufe erinnern nämlich die nicht vollständig geteilten Blattansätze
Serie Heilpflanzen
02/2019 Vogelmiere
03/2019 Echte Schlüsselblume
04/2019 Giersch
05/2019 Kamille
09/2019 Lein
10/2019 Melisse
11/2019 Hafer
12/2019 Klee
Unterirdische Ausbreitung
Wenn man die Blätter an ihren markant dreieckigen Stielen aus dem Boden zieht, offenbart sich bei diesem Vorgang die Ursache für die schier überbordende Vermehrungsfähigkeit der Pflanze. Der Giersch wartet nämlich gar nicht erst ab, bis seine Samen die nächste Generation verbreiten. Seine Wurzelausläufer haben bis dahin längst das Terrain gesichert und erobern im Nu auch nachbarschaftliche Gefilde. Krup-dör-de-Tuun (Kriech durch den Zaun) nennt man ihn daher auf Plattdeutsch. Regelmäßiges Abmähen – oder noch besser Aufessen! – ist die einzige Chance, um eine unerwünschte Besiedlung einzudämmen. Denn wer beim Versuch Giersch auszugraben, auch nur ein Wurzelstück übersieht, kann die Sache gleich vergessen. Denn aus jedem Wurzelstück kann eine neue Pflanze austreiben mit der Fähigkeit, sich ungebremst pro Jahr drei Quadratmeter Boden zu erobern. Immerhin lockert der Giersch dabei den Boden auf. Das macht ihn im Garten zu einem guten Begleiter von Obststräuchern wie Himbeeren, Stachel-, Johannis- oder Jostabeeren. Da lohnt sich die Ernte gleich doppelt.
Lecker und gesund
Seine ungebremste Lebenskraft beschränkt die Pflanze nicht auf sich selbst, sondern ist mit seinen Vitaminen und Mineralstoffen eine echte Bereicherung für den menschlichen Speiseplan. In 100 Gramm Pflanzenmaterial sind durchschnittlich 200 Milligramm Vitamin C, 400 Mikrogramm Vitamin B1 und 1600 Mikrogramm Vitamin B2 enthalten. Hinzu kommen 230 Milligramm Calcium und 67 Milligramm Magnesium sowie sieben Gramm pflanzliches Eiweiß. Davon haben alle Organe etwas: Knochen, Muskeln, Haut, Gehirn und sogar das Immunsystem profitieren von dieser Pflanze.
Eine Mischung aus allem
Giersch gehört zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Darauf geben die weißen Blüten, die sich in Doppeldolden der Sonne entgegenstrecken, einen unverkennbaren Hinweis. Sie sind essbar und schmecken im Vergleich zur restlichen Pflanze süßlich. Mit ihnen kann man Kräuterlimonaden oder selbstgemachten Kräuteressigen eine besondere Note verleihen. Die Samen dagegen können getrocknet und kleingerieben als pikantes Gewürz verwendet werden.
Vor allem die jungen Triebe erinnern an eine Mischung aus Sellerie, Möhre und Petersilie, das ist sozusagen die nähere Verwandtschaft aus der Doldenblütlerfamilie. Man kann die knackigen Blattstiele in der Pfanne anbraten. Die Blätter werden am besten jung gepflückt und können roh einen Smoothie oder einen Salat bereichern. Zusammen mit Zwiebeln, Knoblauch, Pfeffer, Salz, Muskat und etwas Sahne lässt sich das Blattgrün gleich in größeren Mengen als Wildkräuterspinat zubereiten. Das ist vermutlich auch die effektivste Möglichkeit, um größeren Gierschbeständen auf sinnvolle Weise zu Leibe zu rücken.