Serie Rezeptur: Ammoniumbituminosulfonat

Das sulfonierte Schieferöl ist eine grenzflächenaktive Substanz, die nicht in alle Grundlagen eingearbeitet werden kann. Mit kationischen Wirkstoffen darf sie ebenfalls nicht kombiniert werden, da sich im wässrigen Milieu schwerlösliche Salze bilden.

von Stefanie Fastnacht
28.06.2024

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© Foto: Sarah Siegler
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  • Dunkles Ammoniumbituminosulfonat ist ein nach Teer riechendes Schieferöl, das unter anderem zur Behandlung von Ekzemen eingesetzt wird.
  • Sulfonierte Schieferöle enthalten im Unterschied zu Teerzubereitungen keine problematischen polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe.
  • Der anionische Wirkstoff ist grenzflächenaktiv und kann zum Verflüssigen (O/W-) beziehungsweise Brechen von (W/O-)Emulsionen führen.
  • In wässrigen Zubereitungen bildet er mit kationischen Wirkstoffen schwerlösliche Salze, die die Qualität und Wirksamkeit der Formulierung beeinträchtigen.
  • Ammoniumbituminosulfonat-haltige Rezepturen interagieren bei langer Lagerung mit Polyethylen-haltigen Verpackungsmaterialien.

Dunkles Ammoniumbituminosulfonat (im Folgenden nur Ammoniumbituminosulfonat genannt) gehört zu den sulfonierten Schieferölen. Die zähe, schwarzbraune und grenzflächenaktive Flüssigkeit hat einen charakteristischen Geruch und wirkt antiphlogistisch und antirheumatisch. Sie ist mischbar mit Wasser und Glycerin, löst sich aber nur schwer in Ethanol 96 Prozent. Dermal wird Ammoniumbituminosulfonat in Konzentrationen von fünf bis 50 Prozent eingesetzt. In der Pädiatrie wird es bei milden Ekzemen angewandt (5 – 20 %). Die rektale Dosierung beträgt 200 Milligramm. Der rezeptierbare pH-Bereich liegt zwischen pH 3 und 10. In therapeutischen Konzentrationen wirkt die Substanz konservierend. Neben dunklem gibt es auch helles Ammoniumbituminosulfonat. Dieses wirkt zusätzlich antiseborrhoisch.

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Wichtig-- Sulfonierte Schieferöle wie Ammoniumbituminosulfonate sind keine Teere. Sie enthalten auch nicht die bei Teeren problematischen polycyclischen, aromatischen Kohlenwasserstoffe sowie phenolische Bestandteile.

Die Rezeptur

Ammoniumbituminosulfonat5 g
Sebexol Creme-Lotio ad 100 g

Dos.: 2 x tgl. auf Ekzeme

Problemanalyse

Ammoniumbituminosulfonat ist ein grenzflächenaktiver, anionischer Wirkstoff. Das ist bei der Einarbeitung in mehrphasige Systeme zu berücksichtigen. Auch ist die Substanz mit einer Reihe von kationischen Wirkstoffen und bestimmten Packmitteln nicht kompatibel.

Problem Grenzflächenaktivität

Ammoniumbituminosulfonat wirkt grenzflächenaktiv. Die Einarbeitung in Wasser-in-Öl(W/O)-Grundlagen ist aus Stabilitätsgründen meist nicht möglich, da es zu einer plötzlichen Verflüssigung der Emulsion mit anschließendem Austritt von Wasser kommt. Auch O/W-Emulsionen verändern sich beim Einarbeiten von Ammoniumbituminosulfonat. Der nichtionische, grenzflächenaktive Stoff kann mit dem Emulgator der Grundlage interagieren und Mischmizellen bilden. Je nach Wirkstoffkonzentration erfüllt der Emulgator der Grundlage dann seine Bindungsaufgaben zwischen wässriger und öliger Phase nicht mehr und die Emulsion verflüssigt sich.

Problem Wirkstoff-Inkompatibilitäten

In wasserhaltiger Zubereitung besteht die Gefahr, dass der anionische Wirkstoff Ammoniumbituminosulfonat mit anderen, kationischen Wirkstoffen schwerlösliche Salze bildet, aus denen die Wirkstofffreisetzung erschwert ist. Zu den kationischen Wirkstoffen zählen Chlorhexidingluconat, Polihexanid, Neomycinsulfat oder Tetracyclinhydrochlorid.

Problem Packmittel-Inkompatibilitäten

Ammoniumbituminosulfonat verträgt sich nicht mit Packmitteln und Packmittelbestandteilen aus Polyethylen (PE, z. B. Gießringe, Tropf- und Spritzeinsätze, Lotio- und Vierkantflaschen, Teile der Topitec Drehdosierkruke). Insbesondere bei wässrigen Systemen und längerer Lagerung besteht die Gefahr, dass der Wirkstoff in das Behältnismaterial einwandert und dieses verfärbt. Das hat Wirkstoffverluste in der Zubereitung zur Folge und gefährdet deren Qualität und Wirksamkeit.

Video: Ammoniumbituminosulfonat in der Rezeptur

Lösungsansätze

Im Folgenden haben wir Ihnen Tipps und Hinweise zur Verarbeitung mit Ammoniumbituminosulfonat zusammengestellt.

Grenzflächenaktivität

W/O-Grundlagen-- Wenn überhaupt funktioniert die stabile Einarbeitung von Ammoniumbituminosulfonat in solche Systeme nur, wenn der Wassergehalt der Zubereitungen deutlich gesenkt wird.

O/W-Grundlagen-- Wie oben beschrieben kann Ammoniumbituminosulfonat auch diese Systeme stark verflüssigen, was bis zu einem gewissen Grad aber toleriert werden kann. Verstärkt wird die Tendenz bei der Verarbeitung in vollautomatischen Rührsystemen. Dem lässt sich entgegenwirken, indem eine möglichst niedrige Umdrehungszahl gewählt (herstellerspezifische Angaben beachten) und die Mischzeit gegebenenfalls verlängert wird. Alternativ können Rezepturen mit Ammoniumbituminosulfonat von Hand in der Glas-Fantaschale hergestellt werden.

Führen diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Ergebnis, muss die Grundlage in Absprache mit dem Arzt getauscht beziehungsweise auf eine komplett wasserfreie Grundlage zurückgegriffen werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei der Verarbeitung von Ammoniumbituminosulfonat auf geprüfte, standardisierte Rezepturen zurückzugreifen, deren Stabilität gewährleistet ist (z.B. NRF 11.12. oder NRF 11.2.).

Wirkstoff-Inkompatibilitäten

Wird Ammoniumbituminosulfonat zusammen mit einem ka-tionischen Wirkstoff verordnet, müssen zwei getrennte Rezepturen hergestellt werden. In Absprache mit dem Arzt ist eventuell auch ein Austausch der Wirkstoffe möglich. Egal ob zwei Rezepturen hergestellt oder Wirkstoffe ausgetauscht werden, müssen immer beim Arzt neue Rezepte angefordert werden. Sonst besteht die Gefahr von Retaxationen.

Packmittel-Inkompatibilitäten

Verpackungsmaterialien aus Kunststoff sind im Vergleich zu Aluminium und Glas weniger inert und können mit dem Füllgut Wechselwirkungen eingehen. Um die Migration von Ammoniumbituminosulfonat bei einer langen Aufbrauchfrist aus der Zubereitung in das Verpackungsmaterial zu umgehen, empfiehlt sich zum Beispiel die Abfüllung in Tuben oder Weithalsgläser. Bei einer kurzen Anwendungsdauer ist das Abfüllen in Behältnisse aus PE aber vertretbar.

Praxisbeispiel

Die Stammkundin Frau Julia Dengler* kommt in die Hohenzollern-Apotheke und gibt PTA Sarah Siegler ein Rezept. Darauf hat der Dermatologe der jungen Frau eine Rezeptur gegen ein Ekzem verordnet. Diese setzt sich aus Ammoniumbituminosulfonat und Sebexol Creme-Lotio zusammen.

Plausibilitätscheck / Herstellungsanweisung

Nachdem Frau Dengler die Apotheke verlassen hat, setzt sich die PTA mit der Rezeptur auseinander. Als Erstes unterzieht sie die Zubereitung einem Plausibilitätscheck. Dafür loggt sie sich auf der Website des Grundlagenherstellers im passwortgeschützten Fachbereichskreis ein. Dort entdeckt sie, dass die Plausibilität der Rezeptur vom Grundlagenhersteller bereits geprüft wurde und neben Herstellungstipps auch ein validiertes Analysenzertifikat sowie eine Prüfanweisung für die kosmetische Grundlage Sebexol Creme-Lotio zum Download zur Verfügung stehen. Die Kombination wird vom Hersteller bis zu einer Konzentration von fünf Prozent als stabil eingestuft.

Die O/W-Emulsion Sebexol Creme-Lotio hat einen pH-Wert von 4,5 bis 5,5. Dieser passt zum rezeptierbaren pH-Bereich von 3 bis 10 des Ammoniumbituminosulfonats. Das Kosmetikum enthält nichtionische und anionische Emulgatoren, die mit dem Wirkstoff ebenfalls verträglich sind. Die Grundlage ist ausreichend vorkonserviert mit Phenoxyethanol. In therapeutischer Konzentration wirkt Ammoniumbituminosulfonat selbst auch konservierend (autokonservierend).

Die Haltbarkeit der fertigen Rezeptur wird vom Hersteller auf drei Monate festgelegt. Als Packmittel entscheidet sich die PTA für ein Weithalsglas und einen Spatel als Applikationshilfe. Damit will sie Packmittelunverträglichkeiten vorbeugen. Sarah Siegler stuft die Rezeptur als plausibel ein und bestellt die Grundlage beim Großhandel. Ammoniumbituminosulfonat ist in der Apotheke an Lager.

Herstellungsanweisung-- Darin legt die PTA fest, dass die Rezeptur im Sandwichverfahren im vollautomatischen Rührsystem bei angepasster niedriger Drehzahl herzustellen ist. Damit will sie einer Verflüssigung der Grundlage vorbeugen.

Herstellung

Sarah Siegler lässt sich die Herstellungsanweisung vom diensthabenden Apotheker unterzeichnen. Nachdem die Grundlage in der Apotheke eingetroffen ist, unterzieht sie diese einer Eingangsprüfung und macht sich dann an die Herstellung der Rezeptur. Sie geht ins Labor, legt ihre Schutzausrüstung an, reinigt die Arbeitsfläche und desinfiziert mit Isopropanol 70 Prozent (V/V). Alle anderen Arbeitsutensilien werden ebenfalls desinfiziert und bereitgelegt.

Serie Rezeptur

03/2024 Metronidazol
04/2024 Erythromycin
05/2024 Harnstoff
06/2024 Salicylsäure
07/2024 Ammoniumbituminosulfonat
08/2024 Gentamicinsulfat
09/2024 Polidocanol
10/2024 Vitamin-A-Säure
11/2024 Nystatin
12/2024 Chlorhexidindigluconat

Wiegen

Als erstes tariert sie das Topitec Rezepturgefäß mit Kurbelwelle und Mischscheibe auf der Rezepturwaage aus. Dann wiegt sie die Hälfte der Grundlage in das Rezepturgefäß ein. Im Anschluss wiegt sie das Ammoniumbituminosulfonat unter Berücksichtigung des Einwaagekorrekturfaktors mit Hilfe eines Augensalbenstäbchens zu. Darüber gibt sie die restliche Menge an Grundlage und verschließt das Rezepturgefäß.

Rühren

Sie spannt das Rezepturgefäß in den Topitec Touch und stellt das Rührprogramm ein (3:30 Min., 700 UPM).

Endkontrolle, Abfüllung, Etikettierung

Nach Beendigung des Rührprogramms entnimmt sie eine kleine Menge der fertigen Rezeptur und streicht diese zur Endkontrolle auf einer Glasplatte aus. Die Formulierung erfüllt alle Anforderungen, sie ist braun und homogen. Anschließend überführt sie die Creme mit Hilfe eines Atomwischers in das Weithalsglas und klebt das Etikett auf. Darauf weist sie die Grundlagenbestandteile separat aus und überklebt es mit einer Schutzfolie.

Abgabe

Als Frau Dengler ihre Rezeptur in der Apotheke abholt, weist Sarah Siegler sie darauf hin, dass sie die von Ekzemen betroffenen Hautstellen zweimal täglich damit behandeln soll. Sie rät der Kundin, die Sebexol Creme-Lotio vor dem Ankleiden komplett einziehen zu lassen und wenn möglich auf weiße Kleidungsstücke während der Therapie zu verzichten. Diese Maßnahme beugt braunen Flecken auf der Kleidung vor. Auch weist sie die Kundin auf den an Teer erinnernden Geruch der Rezeptur hin. Die junge Frau bedankt sich für die Tipps und hofft, ihre lästigen Ekzeme bald wieder los zu sein.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden, sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer zweier Rezepturhilfehotlines ein.

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