Serie Rezeptur: Azithromycin

Bei Lieferengpässen von Azithromycin-Trockensäften für Kinder können PTA eine oral anwendbare Suspension mit dem Wirkstoff herstellen. Diese muss durch die Anwendenden gut aufschüttelbar und so auch gut dosierbar sein.

von Stefanie Fastnacht und Sarah Siegler
29.03.2025

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© Foto: Sarah Siegler
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  • Azithromycin ist ein Makrolid-Antibiotikum.
  • Bei Lieferengpässen von Azithromycin-Trockensäften besteht Bedarf für Individualrezepturen in Form von oralen Suspensionen.
  • Im NRF-Rezepturenfinder sind zum Beispiel Azithromycin-Suspension 40 mg/ml (200 mg/5 ml) auf Basis von Sorbitollösung oder Zuckersirup DAB gelistet.
  • Als Ausgangsstoffe dienen Filmtabletten mit 500 Milligramm Azithromycin-Dihydrat.
  • Diese müssen im Überschuss eingesetzt werden, um Gehaltsschwankungen an Wirkstoff auszugleichen.
  • Das Abgabegefäß der fertigen Suspension sollte das 1,5-Fache des Ansatzes haben, um Aufschüttelbarkeit und Dosiergenauigkeit zu gewährleisten.

Azithromycin ist ein Makrolid-Antibiotikum. Es wirkt bakteriostatisch auf aerobe gramnegative Kokken, einige aerobe grampositive Kokken und atypische Bakterien. Der Wirkstoff wird vor allem systemisch eingesetzt, kann aber auch lokal am Auge oder auf der Haut zur Anwendung kommen. Erwachsene und Jugendliche über 45 Kilogramm bekommen oral in der Regel eine Gesamtdosis von 1.500 Milligramm für drei Tage verordnet (500 mg/d).

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Alternativ kann die Gesamtdosis von 1.500 Milligramm auch nach einem 5-Tage-Schema verabreicht werden. Dabei werden am ersten Tag 500 Milligramm, anschließend für vier Tage 250 Milligramm eingenommen. Bei Kindern unter 45 Kilogramm erfolgt die Dosierung nach Körpergewicht: drei Tage einmal täglich zehn Milligramm Azithromycin pro Kilogramm Körpergewicht. Auch hier ist eine Gabe über fünf Tage möglich. Die Dosierung sieht danach am ersten Tag zehn Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht vor, an den vier Folgetagen je fünf Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Serie Rezeptur

03/2025 Ambroxol
04/2025 Azithromycin
05/2025 Simvastatin
06/2025 Cannabis-Extrakt
07/2025 Sorbitol
08/2025 Insulin
09/2025 Imiquimod
10/2025 Propranolol
11/2025 Estradiol, Progesteron
12/2025 Clotrimazol

Problemanalyse und Lösungen

Azithromycin ist als Fertigarzneimittel in Form von Filmta-bletten (250, 500 mg) und als Trockensaft (200 mg/5 ml) erhältlich. Insbesondere Lieferengpässe von Trockensäften führen dazu, dass Bedarf für Rezepturarzneimittel mit dem Antibiotikum entsteht. Was Sie bei der Herstellung oral anwendbarer Azithromycin-Suspensionen beachten müssen, lesen Sie im Folgenden.

Die Rezeptur

Azithromycin-Suspension 40 mg/ml
mit Zuckersirup DAB, 30 ml

Dosierung: 1 x tgl. 7,5 ml

Lieferengpässe

Problem-- Sind Fertigarzneimittel-Säfte mit Azithromycin nicht lieferbar und ist aufgrund des bakteriellen Erregerspektrums kein Switch auf einen anderen antibiotischen Wirkstoff möglich, kann eine Individualrezeptur verordnet werden. Laut DAC/NRF gibt es keine geprüfte Rezepturformel für einen Azithromycin-Trockensaft, es muss also eine direkt anwendbare Zubereitung hergestellt werden.

Lösungsansatz-- Für Rezepturzwecke steht theoretisch Azithromycin-Dihydrat zur Verfügung. Das stark hygroskopische, weiße bis fast weiße, kristalline Pulver löst sich praktisch nicht in Wasser, dafür aber leicht in wasserfreiem Ethanol. Ethanol als Lösungsmittel eignet sich jedoch nicht für Kinder, weshalb Azithromycin in einer geeigneten Grundlage suspendiert werden muss.

Suspensionszubereitung

Problem-- Suspensionen sind disperse Systeme. Feste, überwiegend unlösliche Wirkstoffe wie Azithromycin liegen dabei fein verteilt in einer flüssigen Phase, dem Dispersionsmittel, vor und sinken mit der Zeit auf den Gefäßboden ab. Für die Stabilität und die Dosiergenauigkeit ist wichtig, dass die Wirkstoffe nur langsam sedimentieren und sich vor der Anwendung wieder homogen aufschütteln lassen. Da Azithromycin bitter schmeckt, ist außerdem zu erwägen, ein Geschmackskorrigens zuzusetzen.

Lösung-- Vorschläge für entsprechende Rezepturen finden sich im NRF-Rezepturenfinder. Dort ist je eine Azithromycin-Suspension 40 mg/ml (200 mg/5 ml) auf Basis von Sorbitol-Lösung (70 %, nicht kristallisierend) und auf Basis von Zuckersirup DAB gelistet. Als Ausgangssubstanz dienen Filmtabletten der Firmen HEC oder Heumann mit je 500 Milligramm Azithromycin-Dihydrat.

Auch eine in Zieglers Rezepturbibliothek hinterlegte Variante arbeitet mit Fertigarzneimittelfilmtabletten (8 St. = 4 g Wirkstoff), aber mit der „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC“.

Außerdem hat die Firma Fagron auf ihrer Website eine Herstellungsanleitung zu Azithromycin-Dihydrat in Syrspend SF pH4 Pulver hinterlegt. Hier dient die Rezeptursubstanz als Ausgangsstoff. Als Geschmackskorrigenzien eignen sich Aromastoffe oder Sucrose.

Wichtig-- Werden Azithromycin-Filmtabletten statt Rezeptursubstanz verwendet, müssen diese im Überschuss verrieben werden, um Gehaltsschwankungen einzelner Filmtabletten auszugleichen. Das DAC/NRF empfiehlt, analog dem Hinweis „Kapseln für die pädiatrische Anwendung“, immer eine zweistellige Zahl an Tabletten einzusetzen, also mindestens zehn Stück. Vorsicht: Ein solcher Überschuss wird nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet (Anm. d. Red.: lt. Abfrage beim LAV Baden-Württemberg).

Stabilität

Problem-- Azithromycin-Dihydrat reagiert basisch (pH-Wert 9 – 11). Im Sauren zersetzt es sich und wird unwirksam. Suspensionsgrundlagen mit einem saurem pH-Wert sind also ungeeignet. Das Gleiche gilt für sauer reagierende Konservierungsmittel wie Sorbinsäure beziehungsweise für solche, die nur im sauren Milieu konservierende Eigenschaften besitzen.

Lösung-- Wegen der pH-abhängigen Stabilität von Azithromycin-Dihydrat arbeitet das DAC/NRF mit den neutralen Suspensionsgrundlagen Sorbitol-Lösung und Zuckersirup DAB.

Die Firma Fagron schlägt als Suspensionsgrundlage Syrspend SF pH4 Pulver vor. Das ebenfalls im Sortiment befindliche Syrspend SF Alkala Pulver eignet sich aufgrund seines pH-Werts eigentlich besser als Grundlage für Azithromycin. Es wird vom Hersteller wegen möglicher Wechselwirkungen von Azithromycin mit darin enthaltenem Calciumcarbonat jedoch nicht empfohlen.

Stattdessen kommt das saure Syrspend SF pH4 zum Einsatz. Zur pH-Korrektur dient Dinatriumhydrogenphosphat-Dodecahydrat, das für einen für die Stabilität wichtigen basischen pH-Wert in der Zubereitung sorgt. Für die Suspension ist laut Fagron eine Haltbarkeit von sieben Tagen festzulegen, vorausgesetzt, sie wird in lichtschützenden Flaschen bei Kühlschranklagerung (2 – 8 °C) aufbewahrt und gemäß der Herstellempfehlung angefertigt. Bei den Azithromycin-Rezepturen aus dem NRF-Rezepturenfinder wird analog den rekonstruierten FAM-Säften eine Haltbarkeit von fünf bis zehn Tagen bei Lagerung bei Raumtemperatur empfohlen.

Video: Azithromycin in der Rezeptur

Praxisbeispiel

Frau Metzger* betritt die Hohenzollern-Apotheke und überreicht PTA Sarah Siegler ein Rezept. Sie erzählt, dass der Kinderarzt ein Antibiotikum für ihre achtjährige Tochter (30 kg) verordnet hat. Die Kleine hat eine bakterielle Mittelohrentzündung. Sarah Siegler schaut sich die Zusammensetzung an. Es handelt sich um eine Azithromycin-Suspension mit Zuckersirup DAB. Da sie diese Rezeptur noch nie hergestellt hat und recherchieren sowie nachschauen muss, ob alle Ausgangsstoffe verfügbar sind, vereinbart sie mit Frau Metzger die Herstellung bis zum nächsten Abend.

Plausibilitätsprüfung

Nachdem Frau Metzger die Apotheke verlassen hat, loggt sich Sarah Siegler online in den DAC/NRF-Rezepturenfinder ein. Sie freut sich, als sie die Verordnung dort entdeckt, wenn auch gelb eingestuft. Das bedeutet, dass die Formulierung aus der Apothekenpraxis bekannt ist. Allerdings handelt es sich nicht um eine geprüfte, standardisierte Rezepturformel. Unter Berücksichtigung der Hinweise im NRF ist eine Herstellung jedoch denkbar. Als Nächstes prüft die PTA, ob Azithromycin-Dihydrat als Rezeptursubstanz verfügbar ist.

Da diese nicht lieferbar ist, checkt sie, ob Azithromycin Tabletten 500 Milligramm der Firmen HEC oder Heumann erhältlich sind. Zum Glück hat der pharmazeutische Großhandel Azithromycin HEC auf Lager. Zuckersirup DAB ist in der Rezeptur der Hohenzollern-Apotheke bereits vorhanden. Sarah Siegler stuft die Rezeptur als plausibel ein und erstellt eine Herstellungsanweisung.

Herstellungsanweisung

Hierzu legt die PTA die gravimetrische Herstellung fest. Dazu wiegt sie zehn Azithromycin-Filmtabletten ab und verreibt sie zu einem Pulver. Für 30 Milliliter Suspension à 40 mg/ml Azithromycin benötigt man 1,2 Gramm Azithromycin als Azithromycin-Dihydrat. Die genau abzuwiegende Menge an Tablettenpulver bestimmt sie durch Dreisatzrechnung auf Basis des Ausgangsgewichts der zehn verwendeten Tabletten. Außerdem notiert die PTA, dass nicht verriebene Reste des Filmüberzugs abzusieben sind.

Das benötigte Aliquot an Pulver wird anschließend in einer Glasfantaschale mit Zuckersirup DAB suspendiert und bis zu 39,24 Gramm (= 30 ml fertige Suspension) aufgefüllt. Als Abgabegefäß wählt sie eine Braunglasflasche, die etwa das 1,5-fache Volumen (= 50 ml) des Suspensionsansatzes umfasst.

Das ist notwendig, um die Aufschüttelbarkeit und damit auch die Dosiergenauigkeit der Suspension durch die Patienten zu gewährleisten. In die Braunglasflasche kommt ein Steckaufsatz, um mit einer Kolbendosierpipette die benötigte Dosis abzumessen.

Herstellung

Sarah Siegler lässt sich die Herstellungsanweisung vom diensthabenden Apotheker unterschreiben. Dann geht sie ins Labor, zieht Schutzkleidung an, reinigt und desinfiziert Arbeitsfläche und Arbeitsutensilien mit Isopropanol 70 Prozent (V/V) und stellt alle Materialien bereit.

Verreiben

Als erstes wiegt Sarah Siegler zehn Tabletten genau ab und notiert den Wert. Sie verreibt diese fein und freut sich, dass keine Filmüberzüge mehr sichtbar sind. Nun wiegt sie die notwendige Pulvermenge ab, die genau 1,2 Gramm Wirkstoff enthält, und überführt das Pulver in eine Glasfantaschale.

Suspendieren

Dann versetzt die PTA das Tablettenpulver mit etwa der doppelten Menge an Zuckersirup DAB und homogenisiert unter häufigem Abschaben. Anschließend arbeitet sie die restliche Grundlage schrittweise ein. Zur Endkontrolle hält sie die Suspension unter eine Lichtquelle. Zum Glück erkennt sie keine Pulveragglomerate mehr.

Abfüllen und Etikettieren

Zum Schluss füllt sie die fertige Suspension in eine 50-Milliliter-Braunglasflasche, sodass Frau Metzger die Zubereitung gut homogenisieren und dosieren kann. Sie etikettiert vorschriftsmäßig und klebt auch den Hinweis „Vor Gebrauch schütteln“ gut leserlich auf die Flasche.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden,sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer zweier Rezepturhilfehotlines ein.

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