Serie Rezeptur: Gentamicinsulfat

Das Aminoglykosid darf in Zubereitungen für die Haut nur noch in Ausnahmefällen verordnet werden. Der gewünschte Gehalt wird oft in Internationalen Einheiten angegeben, also als Aktivität pro Milligramm / Gramm getrockneter Substanz.

von Stefanie Fastnacht
30.07.2024

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© Foto: Sarah Siegler
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  • Gentamicinsulfat ist eine Mischung von Aminoglykosid-Verbindungen und zählt zu den systemischen Reserveantibiotika.
  • Die Anwendung auf der Haut sollte nur noch bei bakteriell infizierten Druck- und Unterschenkelgeschwüren erfolgen.
  • Der kationische Wirkstoff ist inkompatibel mit anionischen Wirk- und Hilfsstoffen.
  • Auch mit Betamethasonvalerat sollte er nicht verarbeitet werden, da die rezeptierbaren pH-Bereiche nicht zueinander passen.
  • In mit Sorbinsäure vorkonservierten Grundlagen wird Gentamicinsulfat unwirksam.
  • Der Gehalt von Gentamicinsulfat wird häufig in Internationalen Einheiten (I. E.) angegeben.

Gentamicinsulfat ist eine Mischung verschiedener Aminoglykosid-Verbindungen und zählt zu den systemischen Reserveantibiotika. Auf der Haut wird die Anwendung nicht mehr empfohlen. Stehen keine therapeutischen Alternativen zur Verfügung, kann der Wirkstoff kurzzeitig und kleinflächig eingesetzt werden, etwa bei bakteriell infizierten Druckgeschwüren (Dekubitus) und Unterschenkelgeschwüren (Ulcus cruris).

Aktueller Podcast

Serie Rezeptur

03/2024 Metronidazol
04/2024 Erythromycin
05/2024 Harnstoff
06/2024 Salicylsäure
07/2024 Ammoniumbituminosulfonat
08/2024 Gentamicinsulfat
09/2024 Polidocanol
10/2024 Vitamin-A-Säure
11/2024 Nystatin
12/2024 Chlorhexidindigluconat

Gentamicinsulfat ist kationisch und inkompatibel mit anionischen Wirk- und Hilfsstoffen. Bei der Plausibilitätsprüfung sind substanzspezifische Inkompatibilitäten zu beachten, etwa mit Amphotericin B, Cephalosporinen, Chloramphenicol, Erythromycin, Heparin(-Natrium), Oxacillin, Penicillin und Vitamin-B-Zubereitungen.

Dermal liegt die Einsatzkonzentration des schwach sauer reagierenden Gentamicinsulfats bei 100.000 I.E. pro 100 Gramm (0,15 – 0,2%), ophthal bei 0,3 Prozent und parenteral bei maximal zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Die obere Richtkonzentration beträgt 0,2 Prozent, der rezeptierbare pH-Bereich liegt bei pH 4,5 bis 8. Unterhalb von pH 6 lässt die Wirkung des Aminoglykosids nach. Zu Rezepturzwecken ist Gentamicinsulfat als weißes bis fast weißes Pulver erhältlich und als halbfestes Rezepturkonzentrat (Gentamicinsulfat 1 % Cordes RK).

Die Rezeptur

Gentamicinsulfat 1 % Cordes RK 10 g
Basis Cordes RK ad 100 g

Dos.: 1 –2 x tgl. auf betroffene Stellen auftragen, max. 14 d

Problemanalyse

Bei der Verarbeitung von Gentamicinsulfat in der Rezeptur lauern einige Stolperfallen. Diese stellen wir im Folgenden vor.

Problem Wirkstoffmenge

Gentamicinsulfat gehört zu den Wirkstoffen, deren Gehalt nicht nur in Milligramm / Gramm, sondern auch als Aktivität in Internationalen Einheiten (I. E.) angegeben wird. Für die Einwaage in der Rezeptur müssen die I. E. in entsprechende Wirkstoffmengen umgerechnet werden. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass der Wassergehalt chargenabhängig schwanken kann (Einwaagekorrekturfaktor erforderlich).

Problem anionische Grundlagen

Wird der kationische Wirkstoff mit einer anionischen Cremegrundlage, zum Beispiel Anionischer hydrophiler Creme DAB verarbeitet, kann es konzentrationsabhängig zu einer versteckten (larvierten, nicht sofort erkennbaren) oder einer sofort erkennbaren (manifesten) Inkompatibilität kommen. Bei letzterer flockt die Creme sofort aus.

Problem Vorkonservierung

Gentamicinsulfat reagiert leicht sauer. Es darf nicht in Grundlagen eingearbeitet werden, die mit Sorbinsäure vorkonserviert sind. Denn durch das Konservierungsmittel verschiebt sich der pH-Wert der Zubereitung in einen pH-Bereich unter pH 6, in dem die Wirkung des Aminoglykosids nachlässt (rezeptierbarer pH-Bereich 4,5 – 8). Im Basischen wiederum wird die Sorbinsäure inaktiviert.

Problem Betamethasonvalerat

Gentamicinsulfat wird häufig zusammen mit dem Glukokortikoid Betamethasonvalerat verordnet. Bei Cremegrundlagen kann es aufgrund unterschiedlicher pH-Bereiche Probleme geben. Gentamicinsulfat wirkt im pH-Bereich von 7 bis 8 am besten. Betamethasonvalerat wiederum hat einen rezeptierbaren pH-Bereich von 2 bis 5 und zersetzt sich oberhalb von pH 6 relativ schnell.

Lösungsansätze

Grundsätzlich empfehlen sich dermale Rezepturen mit Gentamicinsulfat nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nur bei Indikationen wie Dekubitus und Ulcus cruris. Besteht der Arzt nach Rücksprache auf der Verordnung, dann sollten der Anwendungszeitraum eingeschränkt und die Formulierung nur kurzfristig und kleinflächig aufgetragen werden. Außerdem ist es ratsam, die Vereinbarung mit dem Arzt zu dokumentieren.

Gehalt-- Hat der Arzt Gentamicinsulfat in I. E. dosiert, können die tatsächlich benötigte Einwaagemenge unter Einbeziehung der Aktivität und der Einwaagekorrekturfaktor mit der Excel-Wirkstoffdatenbank des DAC/NRF online berechnet werden. In die Rechenhilfe ist ein rot gefärbtes Tabellenblatt für Wirkstoffe integriert, deren Gehalt in I. E. angegeben wird. Zur Berechnung müssen der auf dem Prüfzertifikat hinterlegte Wert für die Aktivität sowie der Wassergehalt beziehungsweise der Trocknungsverlust eingetragen werden. Die benötigte Menge Gentamicinsulfat in Gramm kann dann abgelesen werden.

Anionische Grundlagen-- Um larvierten oder manifesten Inkompatibilitäten mit Gentamicinsulfat vorzubeugen, hilft nur, anionische Grundlagen, zum Beispiel die Anionische hydrophile Creme DAB, auszutauschen. Sehr gut zum Austausch eignet sich etwa die Verdünnte Basiscreme DAC. Durch pH-Wert-Anpassung auf pH 7bis 8 mit Natriumhydrogencarbonat ist eine gute Wirksamkeit von Gentamicin gewährleistet.

Vorkonservierte Grundlagen-- Ist Sorbinsäure enthalten, muss eine andere Grundlage mit einem anderen Konservierungsmittel gewählt werden. Als Ersatz eignen sich mit Propylenglykol konservierte Grundlagen, etwa die Basiscreme DAC. Alternativ ist eine unkonservierte, mit Gentamicinsulfat kompatible, Grundlage einsetzbar. Hier muss allerdings die Haltbarkeit der fertigen Rezeptur auf eine Woche (hydrophile Cremes) oder vier Wochen (lipophile Cremes) reduziert werden (Abgabe in Tube, Spenderdose oder Dosierspender).

Betamethasonvalerat-- Hat der Arzt eine Kombination aus Gentamicinsulfat und Betamethasonvalerat verordnet, müssen zwei getrennte Verordnungen hergestellt werden. Das Aminoglykosid wirkt wie bereits erwähnt bei pH 7 bis 8 am besten, während sich das Glukokortikoid in diesem pH-Bereich rasch zersetzt und wirkungslos wird. Alternativ kann auf eine schwach basische Cremegrundlage zurückgegriffen und Betamethasonvalerat durch das basenstabilere Betamethasondipropionat ersetzt werden. Letzteres hat die gleiche Wirkstärke wie Betamethasonvalerat, ist aber kurzfristig bei pH 8 rezeptierbar. Zur pH-Werteinstellung auf pH 7 bis 8 bietet sich ebenfalls Natriumhydrogencarbonat oder Trometamol an. Die Aufbrauchfrist ist auf maximal vier Wochen zu begrenzen.

Video: Gentamicinsulfat in der Rezeptur

Praxisbeispiel

Der Stammkunde Herr Binder* überreicht PTA Sarah Siegler ein Rezept seiner pflegebedürftigen Frau. Darauf ist eine Creme mit Gentamicinsulfat verordnet. Der Kunde erzählt, dass seine Frau einen bakteriell infizierten Dekubitus hat. Da die PTA weiß, dass Gentamicinsulfat nur in Ausnahmen dermal verordnet wird, kontaktiert sie den Arzt. Dieser bestätigt die Notwendigkeit der Therapie und bittet um Herstellung. Die PTA sagt Herrn Binder die Rezeptur für den Folgetag zu.

Plausi-Check / Herstellungsanweisung

Im Plausibilitätscheck-Heft von Andreas S. Ziegler wird die Rezeptur als plausibel ausgewiesen. Sarah Siegler recherchiert weiter und loggt sich in die Homepage des Grundlagenherstellers ein. Im Fachbereich findet sie eine Herstellungsanweisung. Sie überlegt, dass Basis Cordes RK eine ambiphile Grundlage mit einem pH-Wert von etwa 5 ist. Dieser passt zum rezeptierbaren Bereich von Gentamicinsulfat. Die Grundlage enthält die nichtionischen Emulgatoren Macrogol-22-glycerolmonostearat, Cetylalkohol, Glycerolmonostearat. Sie sind ebenfalls mit Gentamicinsulfat kompatibel. Auch das Konservierungsmittel Propylenglykol ist kein Problem. Das Gleiche gilt für die weiteren Bestandteile: Sorbitanmonostearat, mittelkettige Triglyceride, weiße Vaseline und gereinigtes Wasser. Da der Arzt ein Rezepturkonzentrat mit Gentamicinsulfat verordnet hat, entfällt auch die Umrechnung von I. E. in die entsprechenden Massenangaben.

Herstellungsanweisung-- Sarah Siegler stuft die Rezeptur als plausibel ein und erstellt eine Herstellungsanweisung. Darin legt sie fest, dass die Rezeptur im Sandwichverfahren im vollautomatischen Rührsystem bei angepasster niedriger Drehzahl (1.700 UpM, 2 Min.) herzustellen ist. Wie vom Grundlagenhersteller empfohlen, legt sie eine Aufbrauchfrist von zwölf Wochen fest. Da die Creme laut Verordnung nur 14 Tage lang angewandt werden soll, reicht dieser Zeitraum aus.

Herstellung

Die PTA bestellt die Ausgangsstoffe und lässt sich die Herstellungsanweisung vom diensthabenden Apotheker unterzeichnen. Nachdem die Ausgangssubstanzen in der Apotheke eingetroffen und geprüft wurden, geht sie ins Labor und macht sich an die Herstellung der Creme.

Wiegen

Als erstes tariert die PTA eine Topitec-Drehdosierkruke mit Kurbelwelle und Mischscheibe aus und wiegt die Hälfte der Grundlage ein. Anschließend wiegt sie das Rezepturkonzentrat zu und gibt den Rest an Grundlage darüber (Sandwichverfahren).

Rühren / Endkontrolle

Sie spannt das Rezepturgefäß in den Topitec Touch und stellt das Rührprogramm ein (2 Min., 1700 UpM). Nach Beendigung des Rührvorgangs entnimmt sie eine kleine Menge Creme und streicht sie zur Endkontrolle auf einer Glasplatte aus. Sie freut sich, dass die fertige Rezeptur weiß und homogen aussieht.

Abfüllung / Etikettierung

Sie verschließt die Kruke, etikettiert sie vorschriftsmäßig und überklebt alles mit einer Schutzfolie.

Abgabe

Als Herr Binder die Rezeptur für seine Frau abholt, erklärt ihm Sarah Siegler die Anwendung der Creme. Der Kunde erzählt, dass er bei der Pflege seiner Frau von einer Wundmanagerin unterstützt wird und so die korrekte Anwendung von Gentamicinsulfat gewährleistet ist.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden,sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer zweier Rezepturhilfehotlines ein.

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