Trockenes Auge: Häufig chronisch

Ausgelöst wird der Mangel an Tränenflüssigkeit durch deren unzureichende Produktion und/oder verstärkte Verdunstung. Die Ursachen sind vielfältig, ebenso die rezeptfreien Therapieoptionen.

von Dr. Ute Koch
30.10.2024

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© Foto: insta_photos / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Als Barriere zur Außenwelt schwemmt der Tränenfilm Fremdstoffe (z. B. Staub, Mikroorganismen, Allergene) aus dem Auge heraus und wehrt über seine Immunmechanismen Krankheitserreger ab. Zudem benetzt er die Hornhaut, wodurch er sie vor Mikrorissen und eindringenden Keimen schützt. Darüber hinaus liefert er dem Auge Sauerstoff sowie Nährstoffe und befreit es von Stoffwechsel-Abbauprodukten.

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Und nicht zuletzt ist der Tränenfilm für den Sehvorgang wichtig, weil er Unregelmäßigkeiten der Hornhautoberfläche ausgleicht. Anhand der genannten Funktionen erscheint die Symptomvielfalt des Trockenen Auges leicht nachvollziehbar (s. auch Grafik unten).

Mehr als salziges Wasser

Der Tränenfilm besteht aus drei Schichten: Die obere, der Außenwelt zugewandte Schicht ist ein hauchdünner Lipidfilm. Dieser schützt die darunterliegende wässrige (salzig schmeckende) Phase vor übermäßiger Verdunstung. Gebildet wird der Ölfilm von den Meibom-Drüsen (Lidranddrüsen), deren Ausführungsgänge entlang der oberen und unteren Lidränder liegen.

Die mittlere wässrige Schicht wird von den im Schädel lokalisierten Tränenhauptdrüsen produziert. Sie enthält unter anderem Elektrolyte (z. B. Natrium), Enzyme (z. B. Lysozym), Antikörper (z. B. IgA) und Glucose. Damit die wässrige Phase gut an der Augenhornhaut haftet, besteht die innerste Schicht des Tränenfilms aus Schleim (Muzin). Dessen Bildungsorte sind Becherzellen der Bindehaut.

Aus dem OTC-Sortiment*

Produktname

Zusammensetzung

Hersteller

Dosierung

Augengele/-tropfen

Artelac Lipids EDO Augengel

mittelkettige Triglyceride + Carbomer

Bausch+Lomb

3 – 5 x 1 Trpf./d o. n. Bedarf häufiger

Bepanthen Augentropfen Intense

Dexpanthenol, Hyaluronsäure, Phospholipide, alpha-Tocopherol, Retinol Glycerol, Carbomer

Bayer

3 – 5 x 1 Trpf./d

EvoTears

1-(Perfluorhexyl)octan

Ursapharm

4 x 1 Trpf./d

Hylo-Care AT

Hyaluronsäure

Ursapharm

3 x 1 Trpf./d; ggf. häufiger

Thealoz Duo Augentropfen

Trehalose, Hyaluronsäure

Thea Pharma

4 – 6 x 1 Trpf./d

Augenmasken

Blepha Eyebag Augen- Wärmemaske

natürliche Seide, Baumwolle

gefüllt mit unbehandelten Leinsamen

Thea Pharma

in den ersten 2 W. 2 x/d, 5 – 10 Min.; danach 3 – 4 x/W.

Meibopatch

Baumwolle gefüllt mit Traubenkernen

Visupharm

anfangs 2 x/d 7 bis 10 Min.; nach Besserung Symptome weniger häufig anwenden

Posiforlid Augenmaske

selbsterwärmende Metallplättchen

Ursapharm

2x/d 5 – 10 Min.

*beispielhafte Nennungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit (Stand der Informationen: 16.10.24)

Zahlreiche Ursachen

Den Tränenfilm rasch verdunsten lassen trockene Heizungsluft, Klimaanlagen, Tabakrauch, Zugluft und das Gebläse im Auto. Konzentriertes Sehen auf den Bildschirm eines Computers oder Tablets reduziert die Frequenz des Lidschlages, was dazu führt, dass sich zu wenig frischer Tränenfilm auf der Augenoberfläche verteilt („Office-Eye-Syndrom“). Selbst Kinder und Jugendliche klagen bereits darüber.

Grund dafür ist deren intensive Nutzung von Smartphones, Tablets und Spielekonsolen. Viele Frauen in und nach den Wechseljahren leiden hormonell bedingt unter Augentrockenheit. Diese ist außerdem eine häufige und nicht immer reversible Folge von Augenoperationen, einschließlich der Sehstärken-Korrektur mittels Laser. Viele Arzneimittel reduzieren den Tränenfluss, etwa Diuretika und Anticholinergika. Und nicht zuletzt kann eine Allgemeinerkrankung dahinterstecken, wie ein Diabetes mellitus vom Typ 1 und Typ 2 oder ein Sjögren-Syndrom. Letzteres kann als eigenständige Krankheit oder zusammen mit einer anderen Autoimmunkrankheit auftreten.

Nennenswert ist zudem eine gestörte Lipidphase, verursacht durch eine Dysfunktion der Meibom-Drüsen. Eine solche ist häufig mit einer allgemein trockenen Haut assoziiert, altersbedingt oder aufgrund einer Dermatose (z. B. Neurodermitis, Psoriasis). Klagen Patienten über „ständig tränende Augen“, ist ebenfalls an eine Lipidphasen-Störung zu denken.

Tränenersatzmittel erste Wahl

Unabhängig von der Ursache des Trockenen Auges sind befeuchtende Oph-thalmika („künstliche Tränen“) indiziert. Diese ersetzen die fehlende Tränenflüssigkeit und/oder verbessern deren Qualität. Die Vielzahl der rezeptfreien Produkte unterscheidet sich in der Galenik (Tropfen, Gel, Salbe), Viskosität, den wirksamen und sonstigen Bestandteilen sowie den Applikationsformen. Unter letzteren sind Mehrdosis-Systeme, die unterschiedlich zu handhaben sind, Ein-Dosis-Ophtiolen (EDO) und Sprays.

Da ein Trockenes Auge zumeist chronisch auftritt, sind Konservierungsmittel-freie Tränenersatzmittel zu bevorzugen. Insgesamt ergeben sich zahlreiche Therapieoptionen, die es ermöglichen, für nahezu jeden Patienten das richtige Präparat oder die richtige Kombination verschiedener Präparate zu finden. Dies gelingt nicht immer auf Anhieb, ein Ausprobieren ist völlig normal. Tränenersatzmittel werden so oft und so langfristig wie nötig angewendet. Es gibt keinen Gewöhnungseffekt.

Hyaluronsäure, Lipide & Co

Die Mehrheit der Tränenersatzmittel enthält Hyaluronsäure, und das nicht ohne Grund: Sie gehört auch zum natürlichen Tränenfilm, bindet enorm viel Wasser und haftet gut an Schleimstrukturen wie der Muzinschicht. Deshalb besitzt sie eine lange Verweildauer auf der Augenoberfläche und somit einen langanhaltend befeuchtenden Effekt. Einige Präparate enthalten zusätzlich weitere befeuchtende Substanzen, beispielsweise Trehalose, Hypromellose, Povidon und/oder Carbomer. Carbomer ist zugleich ein Gelbildner, der Augengelen ihre hochvisköse Konsistenz verleiht.

Auf dem Markt sind auch Augentropfen mit lipophilen Bestandteilen. Hierzu gehören natürliche Phospholipide und Triglyceride, Omega-3-Fettsäuren und Perfluorhexyloctan. Diese können bei einer Dysfunktion der Meibom-Drüsen die Lipidphase des Tränenfilms verbessern.

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Die vielfältigen Beschwerden belasten Betroffene stark.
© Foto: DAS PTA MAGAZIN

Tägliche Lidhygiene

Eine ein- bis zweimal tägliche Lidhygiene (Lidrandreinigung) verbessert die Funktion der Meibom-Drüsen und dadurch die Qualität der Lipidphase. Ziel der Lidhygiene ist es, Hautschüppchen und Verkrustungen von den oberen und unteren Lidrändern zu entfernen, was den Meibom-Drüsen die Abgabe ihres öligen Sekrets erleichtert.

Hierfür gibt es spezielle Produkte, mit denen sich die sensiblen Lidränder sanft reinigen und pflegen lassen, beispielsweise einzeln verpackte, sterile Tücher und Lotionen. Diese haben noch weitere Einsatzgebiete, zum Beispiel die unterstützende Behandlung eines Hagel- oder Gerstenkorns, das Entfernen von eitrigem Sekret bei einer bakteriellen Bindehautentzündung und die Lidrandentzündung (Blepharitis).

Bei ausgeprägten Lidrand- und Lipidphasenproblemen empfiehlt es sich, vor der Lidrandreinigung eine wärmende Augenmaske oder Wärmebrille anzuwenden. Die Wärme verflüssigt das zähe Sekret der Meibom-Drüsen, wodurch es leicht in Richtung Lidrand ausmassiert und anschließend mit einem Lidrand-Reinigungsprodukt entfernt werden kann. Gebrauchsanleitungen zu den wärmenden Augenmasken gibt es bei den jeweiligen Herstellern, ebenso Tipps zur Lidmassage und Lidrand-Reinigung.

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