Verhütungsverhalten: Trendwende

Jede kontrazeptive Methode hat Vor- und Nachteile, die vor allem die Sicherheit, Verträglichkeit und Art der Anwendung betreffen. Hauptgrund für ein Versagen sind Anwendungsfehler.

von Dr. Ute Koch
23.12.2024

Thermometer und App zum Trakcen des Zyklus
© Foto: © Jose Martinez Calderon / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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  • Das Kondom ist bei jungen Menschen zum Verhütungsmittel Nummer 1 geworden.
  • Eine unbegründete „Hormonangst“ hat die Pille auf den zweiten Platz der Verhütungsmittel verdrängt.
  • Unter den nicht hormonellen Verhütungsmethoden sind Verhütungs-Apps beliebt, wovon die symptothermale Methode als empfehlenswert gilt.
  • Über 60 Jahre Langzeiterfahrung und eine umfangreiche Studienlage bescheinigen der Pille ein gutes Nutzen-Risiko-Profil.
  • Die Angst, „die Pille mache Krebs“, ist übertrieben bis völlig unbegründet.

Mit der Verfügbarkeit der Pille war es für Frauen erstmals möglich, ihre Familienplanung selbstbestimmt vorzunehmen und Sex zu haben, frei von der Angst, schwanger zu werden. So veränderte die Pille weltweit das Leben der Frauen. Von Beginn an war und ist die Pille eines der sichersten Verhütungsmittel überhaupt. Ihre ständige Weiterentwicklung hat zu immer besser verträglichen Präparaten geführt. Dennoch gibt es seit einigen Jahren eine Abkehr von der sicheren und lang erprobten Pille zugunsten nicht hormoneller Verhütungsmethoden. Deren Anwender, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, nehmen einen vergleichbar geringeren Schutz vor einer Schwangerschaft in Kauf, was ein kritisch zu sehender Aspekt ist.

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Kondom vor Pille

Eine erst in diesem Jahr erfolgte repräsentative Befragung von 521 sexuell aktiven Jugendlichen und Erwachsenen (Alter: 16 – 25 J.) durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat ergeben: Neun von zehn der jungen Menschen (87 %) verwenden Verhütungsmittel. An erster Stelle steht das Kondom mit 67 Prozent. Es hat die Pille (46 %) auf Platz zwei der beliebtesten Verhütungsmittel verdrängt. Hauptgrund für die Trendwende ist die zunehmende Skepsis junger Menschen gegenüber hormonellen Verhütungsmethoden. Fast zwei Drittel befürchten „negative Auswirkungen auf Körper und Seele“.

Die Hälfte bezweifelt, dass hormonelle Verhütungsmittel „unbedenklich über Jahre hinweg“ eingenommen werden können, und fast ebenso viele hinterfragen die Eignung dieser Mittel für sehr junge Mädchen. So liegen auch „Verhütungs-Apps“ im Trend, die den weiblichen Zyklus „tracken“ und das auf unterschiedlicher, teilweise unzureichender wissenschaftlicher Basis. Als empfehlenswert gilt die symptothermale Methode, die allerdings eine äußerst aufwändige Dokumentation und daher viel Disziplin erfordert.

Symptothermale Methode

Das Beobachten des Zervixschleims (sympto) und das Messen der Körpertemperatur (thermo) gibt der Verhütungsmethode ihren Namen. Vereinfacht lässt sie sich wie folgt beschreiben: Mehrmals täglich beurteilt die Anwenderin die Viskosität ihres Zervixschleims (Sekret des Gebärmutterhalses). Kurz vor dem Eisprung wird dieser zunehmend flüssiger, weshalb er zum Scheideneingang fließt und dort sichtbar sowie tastbar wird.

Nach dem Eisprung erreicht er seinen zähen Zustand zurück, der Scheideneingang wird wieder trocken. Zusätzlich misst die Anwenderin jeden Morgen – noch vor dem Aufstehen – ihre Körpertemperatur (Basal- oder Aufwachtemperatur). Diese steigt, wenn der Eisprung erfolgt ist und die fruchtbaren Tage vorüber sind. Die Beobachtungen und Messwerte müssen täglich – und das Zyklus für Zyklus – dokumentiert werden, entweder handschriftlich in einem entsprechenden Formular oder in einer dafür geeigneten App. Ebenso dokumentiert werden die Tage der Menstruation und andere zyklusrelevante Symptome. Erfahrungsgemäß benötigt die Verwenderin drei Zyklen, bis sie mit dieser Verhütungsmethode vertraut ist und das notwendige Wissen über ihren Monatszyklus erreicht hat.

Zum sicheren Verhüten gehören zudem Kenntnisse über Einflüsse, die das Berechnen der fruchtbaren Tage erschweren oder sogar unmöglich machen können. Beispielsweise kann Ausfluss (z. B. bei einer Scheideninfektion) flüssigen Zervixschleim vortäuschen. Eine Erkältung, zu wenig Schlaf, Stress oder ein Zuviel an Alkohol können die Basaltemperatur verändern.

Pearl-Index

Der Pearl-Index steht für die Zuverlässigkeit einer Verhütungsmethode. Je niedriger er ist, desto sicherer ist diese und umgekehrt. Für die symptothermale Methode wird der Pearl-Index mit 0,4 bis 1,8 angegeben. Allerdings trifft dieser nur dann zu, wenn die Methode Tag für Tag fehlerfrei angewendet und während der fruchtbaren Tage (fertiles Fenster) vollständig auf Sex verzichtet wird. Wichtig, der Verzicht gilt auch für geschützten Sex etwa mit dem Kondom oder der Portiokappe. In diesen Fällen geht der niedrige Pearl-Index der symptothermalen Methode verloren, weil nun der hohe Pearl-Index des Kondoms oder der Portiokappe zutrifft.

Beim zumeist verwendeten Kondom liegt der Pearl-Index bei 7 bis 14, der in der Häufigkeit und Vielfalt von Verhütungspannen (z. B. Kondom gerissen, falsche Größe, unerfahrener Partner) begründet ist. Hierbei wird auch deutlich, dass die Verwenderin einen verantwortungsvollen und verständnisvollen Sexualpartner benötigt. Hingegen entscheidet die Verwenderin der Pille selbstbestimmt über ihren Empfängnisschutz. Zugleich ist der äußerst niedrige Pearl-Index von 0,1 bis 0,9 an jedem Tag im Monatszyklus gewährleistet, sofern sie die Pille vorschriftsgemäß einnimmt.

Die Anwendung der Pille ist vom ersten Tag an einfach und das ohne mehrmonatige Lernphase. Über die genannten Nachteile der symptothermalen Methode beziehungsweise Vorteile der Pille sollten sich insbesondere junge, sexuell noch unerfahrene Frauen im Klaren sein. Ebenso Frauen, die noch keinen festen Sexualpartner haben.

Grafik: So stehen junge Menschen in Deutschland zur hormonellen Verhütung

Für die BZgA-Studie „Verhütungsverhalten Erwachsener und Jugendlicher 2024“ wurden sexuell aktive Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahre von Juli bis September 2024 zu ihrem Verhütungsverhalten befragt.
© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN / Quelle: BZgA

Umfangreiche Langzeitdaten

Ist in der Apotheke Rat gefragt, kann der vor allem im Internet und den sozialen Medien geschürten „Hormonangst“ mit einfachen Argumenten begegnet werden. Viele der ersten Pillen-verwenderinnen sind heute über 80 Jahre alt. Sie nahmen Präparate ein, deren Gestagen- und Östrogendosis deutlich höher war als die der heutigen Pillen. Auch gab und gibt es in der über 60-jährigen Pillengeschichte einen erheblichen Anteil an Langzeitverwenderinnen. Deshalb konnten groß angelegte Studien mehrfach und eindrucksvoll beweisen, dass die Sorge „die Pille mache Krebs“ unberechtigt ist. Ganz im Gegenteil, die Datenlage für Kombinationspillen (Östrogen-Gestagen-Präparate) spricht sogar dafür, dass sie das Risiko für bestimmte Krebsarten senken können, allen voran das Risiko für ein Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs).

Diese Tatsache ist bedeutsam, weil es für Eierstockkrebs keine routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen gibt, dieser meist spät erkannt wird und daher die Chance auf Heilung gering ist. Auch senkt die Pille das Risiko, an Endometriumkrebs (Krebs der Gebärmutterschleimhaut) zu erkranken. Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, erhöht sie leicht, jedoch nicht das Risiko, daran zu versterben. Laienverständliche Informationen sind auf der Website der Deutschen Krebsgesellschaft zu finden. Und nicht zuletzt: Das Krebsrisiko eines jeden Menschen wird vorrangig von seinen Erbanlagen und seiner Lebensweise bestimmt.

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