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Zertifizierte Fortbildung: Metabolisches Syndrom

Adipositas, erhöhte Fett- und Glukosewerte und Bluthochdruck sind die Symptome des metabolischen Syndroms. Diese zertifizierte Fortbildung vermittelt Grundlagenwissen zu dem wichtigen Thema.

von Christopher Waxenegger
30.07.2024

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© Foto: smartboy10 / Getty Images / iStock
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  • Etwa jeder dritte Deutsche leidet am metabolischen Syndrom.
  • Abdominelle Adipositas, ein gestörter Glukose- und Fettstoffwechsel sowie Bluthochdruck bilden die vier Kernelemente.
  • Menschen, die ein metabolisches Syndrom haben, sind kardiovaskuläre Hoch- risikopatienten.
  • Ernährungsumstellung, körperliches Training und Gewichtsreduktion bilden die Basis der Behandlung.
  • Bleiben Blutdruck-, Fett- und Glukosewerte zu hoch, ist eine medikamentöse Therapie indiziert.

Kommt ein übergewichtiger Patient zum Arzt ... Was wie der Anfang eines schlechten Ärztewitzes anmutet, ist für viele Menschen bittere Realität. Und damit nicht genug. Adipositas gilt heute als chronische Krankheit und als ein Risikofaktor zahlreicher weiterer Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Das Zusammenspiel dieser vier Erkrankungen wurde 1981 erstmals als metabolisches Syndrom beschrieben.

Aktueller Podcast

Heute schätzt man, dass ein Drittel der europäischen Bevölkerung davon betroffen ist. In Deutschland sind es 25,7 Prozent. Das zeigt eine Analyse auf Basis von GKV-Routinedaten, die auf dem 21. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung 2022 präsentiert wurde.

Lernziele

Nach Lektüre dieser Lerneinheit wissen Sie, ...

  • welche Gefahren das metabolische Syndrom in sich birgt.
  • warum es wichtig ist, das metabolische Syndrom konsequent zu behandeln.
  • was sich im Körper von Menschen mit metabolischem Syndrom abspielt.
  • welche Konzepte zur Gewichtsreduktion es gibt.
  • ab wann eine medikamentöse Therapie indiziert ist.

Metabolisches Syndrom

Das metabolische Syndrom ist eine Kombination mehrerer Krankheiten. Metabolisch heißt so viel wie stoffwechselbedingt. Syndrom bedeutet, dass mehrere Beschwerden, Anomalien oder Befunde gleichzeitig vorhanden sind.

Das metabolische Syndrom ist demnach keine eigenständige Erkrankung, sondern eine Kombination verschiedener Symptome und Krankheiten. Das sind in erster Linie Bluthochdruck, gestörter Glukosestoffwechsel (erhöhte Blutzuckerwerte), abdominelle (bauchbetonte) Adipositas, gestörter Fettstoffwechsel (Dyslipidämie, erhöhte Triglyzeride und/oder niedriges HDL-Cholesterin). Das Syndrom erfordert eine umfassende Lebensstiländerung und oft auch medikamentöse Behandlung, um Komplikationen zu vermeiden.

Ursachen

Hauptgrund für die Entstehung des metabolischen Syndroms ist der ungesunde Lebensstil der modernen Gesellschaft. Menschen in Industrienationen essen zu viel, bewegen sich zu wenig, trinken zuviel Alkohol und konsumieren Tabak. Mediziner sprechen auch vom Wohlstandssyndrom. Nieren- und Lebererkrankungen, schwere Schilddrüsenunterfunktion und chronischer Stress sind weitere Risikofaktoren, die dem Krankheitsbild den Boden bereiten.

Selbst das Erbgut ist beteiligt. Personen mit einer genetischen Veranlagung für Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes und/oder Fettleibigkeit entwickeln deutlich öfter ein metabolisches Syndrom als Personen ohne familiäre Häufung. Nicht zuletzt greifen verschiedene Medikamente (z. B. Psychopharmaka, Cortison, Hormone) ungünstig in den Stoffwechsel ein.

Grafik: Pathophysiologie der Insulinresistenz

Bei Insulinresistenz reagieren die Körperzellen weniger empfindlich auf Insulin. Das Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen steigt.
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Symptome und Auswirkungen

Die Kardinalsymptome des metabolischen Syndroms sind starkes Übergewicht (Adipositas) mit meist bauchbetonter Fetteinlagerung (stammbetonte Adipositas), ein erhöhter Blutzucker sowie erhöhte Fett- und Blutdruckwerte. Abgesehen von der Adipositas bleiben sie meist lange unentdeckt und werden erst im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung diagnostiziert. Forschungsergebnisse der letzten Jahre legen nahe, dass Adipositas am Beginn des metabolischen Syndroms steht.

Insulinresistenz-- Insulinresistenz spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung des metabolischen Syndroms. Permanent zu hohe Energiezufuhr hat zur Folge, dass vor allen Muskel-, Leber- und Fettzellen mit der Zeit weniger empfindlich auf Insulin reagieren. Daraufhin steigt der Blutglukosespiegel, und es wird mehr Insulin (als im gesunden Zustand) von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet, um die Glukose in die Zellen zu transportieren.

Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung einer Insulinresistenz sind große Mengen zirkulierender freier Fettsäuren. Diese Fettsäuren werden hauptsächlich aus (gefüllten) Triglyzeridspeichern im Fettgewebe unter Einwirkung des Enzyms Lipoproteinlipase freigesetzt. Normalerweise wirkt Insulin durch seinen antilipolytischen Effekt diesem Prozess entgegen. Bei insulinresistenten Personen verliert sich der hemmende Effekt auf die Lipoproteinlipase jedoch frühzeitig: Es gelangen vermehrt freie Fettsäuren in die Blutbahn. Überschüssige freie Fettsäuren schwächen die Signalübertragung von Insulin, was die Insulinempfindlichkeit des Gewebes her- absetzt.

In der Leber steigern zirkulierende freie Fettsäuren die Glukoseneubildung (Glukoneogenese) und verringern die Hemmung der Glukoseneubildung durch Insulin. In Studien an insulinresistenten Menschen mit Adipositas und/oder Typ-2-Diabetes, Nachkommen von Patienten mit Typ-2-Diabetes und älteren Menschen wurde ein Defekt in der mitochondrialen oxidativen Phosphorylierung festgestellt, der mit Insulinresistenz und entzündungsbedingtem Gefäßumbau in Verbindung steht. Dabei war die Menge der reaktiven Sauerstoffspezies erhöht, was mit gesteigertem oxidativem Stress einherging.

Um sich der überschüssigen Fettsäuren zu entledigen, speichert der Körper diese in Geweben wie dem viszeralen Fett (inneres Bauchfett), in Leber- und Herzmuskelzellen. Ablagerungen an den Gefäßwänden (Plaques) fördern stille Entzündungsreaktionen und verhindern, dass die Gefäßwände entspannen können. Diese sinkende Gefäßelastizität lässt den Blutdruck ansteigen. Bleibt man untätig, beginnen die Plaques allmählich zu wachsen, bis sie eine Arterie verengen oder verschließen. Passiert das in den Herzkranzgefäßen, kommt es zu einem Herzinfarkt. Sind die Gefäße des Gehirns verschlossen, ist es ein Schlaganfall. Für Kardiologen zählen Menschen mit metabolischen Syndrom daher zu den Hochrisikopatienten.

Bei Insulinresistenz reagieren Zellen weniger empfindlich auf Insulin.

Untersuchung

Mehrere Fachgesellschaften haben versucht, einheitliche Kriterien zu formulieren, die das metabolische Syndrom definieren. Besonders bekannt sind jene der International Diabetes Federation (IDF). Den IDF-Kriterien entsprechend ist das metabolische Syndrom durch eine stammbetonte Adipositas mit einem Ethnien-spezifischen Taillenumfang sowie zusätzlich durch mindestens zwei der vier folgenden Merkmale definiert:

  • erhöhte Triglyzeride
  • erniedrigtes High-Density-Lipoprotein (HDL)
  • erhöhter Blutdruck
  • erhöhte Nüchternblutglukose.

Jedes dieser Merkmale schädigt für sich allein die Blutgefäße und begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Beim gemeinsamen Auftreten addiert sich das Risiko. Die American Heart Association bewertet die einzelnen Faktoren auch dann positiv, wenn sie medikamentös kontrolliert werden. Etwa wenn die Person einen Fett- oder Blutdrucksenker einnimmt und die Werte dadurch im Normbereich sind.

Die Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher ist im Vergleich zu den 1980er- und 1990er Jahren um 50 Prozent gestiegen.

Die Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher ist im Vergleich zu den 1980er- und 1990er Jahren um 50 Prozent gestiegen.
© Foto: Dacharlie / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Tödliches Quartett

Lange galt das metabolische Syndrom als typische Alterskrankheit. Aufgrund von schlechten Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel werden Betroffene jedoch immer jünger.

Übergewicht / Adipositas

Laut Hochrechnungen sind bis 2030 zwei Drittel der Weltbevölkerung übergewichtig oder adipös. In dem vom Robert Koch-Institut von 2003 bis 2006 durchgeführten Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) waren 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen übergewichtig oder adipös. Verglichen mit den 1980er- und 1990er-Jahren hat sich die Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher um 50 Prozent erhöht, der Anteil adipöser Jugendlicher zwischen 14 und 17 Jahren verdoppelt.

Die damit verbundenen Mehrkosten für das deutsche Gesundheitssystem belaufen sich auf 8.500 Millionen Euro. Senkte man das Gewicht auf das Niveau von vor zehn Jahren, würden sich die Ausgaben um 836 Millionen Euro reduzieren, so das Fazit der Autoren einer deutschen Studie. Normalgewicht wird auch aus epigenetischer Sicht befürwortet. Epigenetiker beschäftigen sich mit der Frage, welche Einflüsse die Genaktivität und Entwicklung der Zelle festlegen. Ihnen zufolge startet die Programmierung des Stoffwechsels bereits in den ersten Lebensjahren. Noch beunruhigender ist, dass man das in dieser Zeit erworbene Risiko für Fettleibigkeit auf zukünftige Generationen übertragen kann.

Bluthochdruck

In Deutschland ist Bluthochdruck die Volkskrankheit Nummer 1. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung berechnete anhand der bundesweiten Abrechnungsdaten für 2018 eine alters- und geschlechtsstandardisierte Prävalenz von 25,07 Prozent. Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen für 2022 eine Zwölf-Monatsprävalenz von 29,14 Prozent für Männer und 30,82 Prozent für Frauen. Dieser Anteil steigt mit zunehmendem Alter stetig an und klettert ab dem 75. Lebensjahr auf über 70 Prozent.

Adipöse Menschen haben ein höheres Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln als normalgewichtige Gleichaltrige. Das liegt daran, dass die mögliche vorliegende Insulinresistenz und der durch Fettleibigkeit verursachte oxidative Stress den Gefäßumbau beschleunigen. Gefäßzellen bilden als Antwort auf diese Reize verstärkt entzündungsfördernde Botenstoffe.

Einer dieser Botenstoffe ist Interleukin 6. Das Zytokin greift regulierend in den Fett- und Glukosestoffwechsel ein und stimuliert in der Leber die Freisetzung von Akute-Phase-Proteinen wie Fibrinogen. Fibrinogen ist die lösliche Vorstufe von Fibrin, das bei der Blutgerinnung die aneinandergelagerten Thrombozyten vernetzt und den Wundverschluss festigt. Bei zu viel Fibrinogen befindet sich der Körper in einem dauerhaft prothrombotischen Zustand (erhöhte Thrombosehäufigkeit). Darüber hinaus verändert Interleukin 6 die Expression von Zelladhäsionsmolekülen. Die ordnungsgemäße Funktion der Gefäßwände wird dadurch nachhaltig beeinträchtigt.

Gestörter Glukosestoffwechsel

Insulin hemmt die Lipolyse (Abbau von Triglyzeriden zu freien Fettsäuren, Glycerin) und die hepatische Glukoneogenese und erhöht die Glukoseaufnahme in Leber, Muskeln und Fettgewebe. Bei insulinresistenten Menschen ist das anders. Hier ist die Hemmung der Lipolyse gestört. Als Konsequenz steigt die Konzentration freier Fettsäuren an. Sind Leber-, Muskel- und Fettgewebezellen großen Mengen freier Fettsäuren ausgesetzt, reagieren sie wiederum weniger empfindlich auf Insulin – ein Teufelskreis. Letzten Endes muss die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin abgeben, um einen normalen Blutglukosespiegel aufrechtzuerhalten.

Diese Kompensation funktioniert allerdings nicht ewig. Behält man den ungesunden Lebensstil bei, ist Typ-2-Diabetes unvermeidbar. Freie Fettsäuren modulieren nicht nur den Glukosestoffwechsel, sondern animieren Gefäßzellen auch, reaktive Sauerstoffspezies zu produzieren. Sie aktivieren das sympathische Nervensystem und verstärken die Natriumrückabsorption in den Nieren. Auf diese Weise tragen sie wesentlich zur Entwicklung von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei.

Gestörter Fettstoffwechsel

Abgesehen von erhöhten Triglyzeridwerten geraten bei Menschen mit metabolischem Syndrom weitere Fettwerte außer Kontrolle. Typisch ist, dass der Low-Density-Lipoprotein (LDL)-Wert steigt, während der High-Density-Lipoprotein (HDL)-Wert sinkt. Triglyzeridreiches LDL wird durch Leberenzyme in sehr kleine, dichte LDL-Partikel (small dense LDL, sdLDL) verpackt. Diese LDL-Fraktion hat eine geringe Bindungsaffinität zum LDL-Rezeptor, wird langsamer abgebaut und verweilt dadurch länger im Blutplasma. Ihre ausgeprägte atherogene Wirkung macht sie zu einem eigenständigen Risikofaktor für die Entstehung und das Voranschreiten der Arteriosklerose.

Krankheitsrelevant ist auch die endokrine Funktion des Fettgewebes, die Dutzende Körperfunktionen steuert. Zu den freigesetzten Adipokinen (vom Fettgewebe gebildete Signalmoleküle) gehören Hormone wie Leptin und Angiotensinogen sowie entzündungsfördernde Zytokine wie Interleukin 6. Sie alle spielen eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie des metabolischen Syndroms. Der Plasmaspiegel von Leptin ist beispielsweise direkt proportional zum Körperfettgehalt. Da höhere Leptinspiegel mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und Entzündungen einhergehen, wird angenommen, dass Leptin ein Bindeglied zwischen Fettleibigkeit, metabolischem Syndrom und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.

Medikamentöse Therapie

Lebensstiländerungen stehen im Vordergrund aller therapeutischen Bemühungen. Sie können sowohl den Insulinhaushalt als auch die Fettwerte verbessern. Sie sollen den Blutdruck senken und den Gewichtsverlust unterstützen. Reisebüros würden so etwas als „All Inclusive Paket“ bewerben.

Lebensgewohnheiten zu ändern, ist leider keine Pauschalreise und für etliche Menschen nicht oder nur begrenzt möglich. Manche schaffen es, können ihre Zielwerte aber trotzdem nicht erreichen. Sind Blutdruck-, Fett- und Glukosewerte zu hoch, ist eine medikamentöse Behandlung indiziert. Gewichtssenkende Medikamente helfen beim Abnehmen, stellen jedoch keinen Ersatz für eine gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung dar.

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Digitale Messwerte können leicht erfasst, gespeichert und später analysiert werden. Dies ermöglicht eine umfassende Datenhistorie und trendbasierte Analysen.
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Gewichtssenkende Medikamente

Antiadiposita sind Arzneistoffe, die zum Gewichtsverlust und -erhalt eingesetzt werden, wenn allgemeine Maßnahmen allein nicht ausreichen. Es gibt sie zum Schlucken und zum Spritzen.

Zum Schlucken-- Orlistat und Bupropion/Naltrexon liegen als Kapsel beziehungsweise Tablette vor. Die empfohlene Dosis von Orlistat beträgt eine Kapsel unmittelbar vor, während oder bis zu einer Stunde nach jeder fetthaltigen Hauptmahlzeit. Der Wirkstoff blockiert ein Enzym, das der Körper für die Aufnahme von Nahrungsfetten benötigt.

Mit Bupropion/Naltrexon wurde ein neuartiges Wirkprinzip verfolgt. Anstelle die Kalorienaufnahme zu hemmen, zielen die beiden Wirkstoffe auf das Belohnungssystem des Gehirns ab und bremsen den Appetit. In Deutschland ist das Präparat zwar zugelassen, aber schon länger nicht mehr erhältlich.

Zum Spritzen-- Probleme mit der kardiovaskulären Sicherheit gibt es bei Glukagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) nicht. Das wurde in den Zulassungsstudien zur Diabetestherapie zweifelsfrei belegt. Nun setzen Liraglutid, Semaglutid und der duale GLP-1-/GIP-Agonist Tirzepatid ihren Siegeszug bei adipösen Patienten fort. Sie sind gut verträglich, erhöhen die Insulinsensitivität, verlangsamen die Magenentleerung und senken das Hungergefühl. In den ersten Behandlungswochen ist mit gastrointestinalen Nebenwirkungen zu rechnen. Liraglutid wird einmal täglich, Semaglutid und Tirzepatid einmal wöchentlich in den Bauch, Oberschenkel oder Oberarm injiziert. Über mögliche Langzeitfolgen, die die Gabe der erwähnten Wirkstoffe auslösen können, ist zurzeit nichts bekannt.

Mit Bimagrumab könnte sich für das Problem Fettleibigkeit bei Typ-2-Diabetes bald eine neue Therapieoption ergeben. Der Antikörper hemmt das Zytokin Myostatin. Das hilft beim Fettabbau und fördert das Muskelwachstum. Die positiven Ergebnisse einer Phase-II-Studie sollen jetzt in einer größeren Phase-III-Studie bestätigt werden.

Blutdrucksenkende Medikamente

Bluthochdruck wirkt sich negativ auf Herz, Gefäße und Nieren aus. Umgekehrt besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Blutdrucksenkung und kardiovaskulärer Risikoreduktion. In der berühmten Framingham-Studie sanken die kardiovaskuläre Sterblichkeit in der Gruppe behandelter Patienten um 60 Prozent und die Gesamtsterblichkeit um 31 Prozent.

Generell behandlungsbedürftig sind Werte ≥ 140/90 mmHg sowie ≥ 160/90 mmHg bei über 80-Jährigen. Blutdrucksenker der ersten Wahl sind ACE-Hemmer (z. B. Ramipril), Sartane (z. B. Candesartan), Calciumkanalblocker (z. B. Amlodipin), Betablocker (z. B. Bisoprolol) und Diuretika (z. B. Hydrochlorothiazid). Die Wahl des Antihypertonikums orientiert sich an etwaigen Begleiterkrankungen. Patienten mit koronarer Herzkrankheit profitieren zum Beispiel vom gefäßentspannenden Effekt eines Calciumkanalblockers, Patienten mit Herzrhythmusstörungen von einem Betablocker und jene mit Diabetes von einem ACE-Hemmer.

Glukosesenkende Medikamente

Zu hohe Glukosewerte schädigen große wie kleine Gefäße und sind mit verschiedensten Folgeerkrankungen assoziiert. Menschen mit Diabetes haben oft eine schlechte Nierenfunktion und Herzprobleme, kämpfen mit nachlassender Sehkraft und benötigen Medikamente gegen neuropathische Schmerzen. Eine frühzeitige glukosesenkende Behandlung schiebt dem einen Riegel vor. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft empfiehlt für Patienten mit hohem Risiko (u. a. metabolisches Syndrom) die Therapie mit Metformin plus einem SGLT-2-Hemmer oder GLP-1-RA zu beginnen und nach drei bis sechs Monaten gegebenenfalls zu intensivieren.

Fettsenkende Medikamente

Die Reduktion von LDL-Cholesterin ist essenziell, um kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern. In allen verfügbaren Endpunktstudien, egal ob bei Statinen, Ezetimib, Bempedoinsäure oder PCSK9-Hemmer, hatten Patienten mit den niedrigsten LDL-Werten die besten Ergebnisse. Der Leitsatz „the lower the better“ wurde deshalb zum geflügelten Wort für kardiologisch tätige Ärzte.

In den aktuellen Leitlinien der europäischen kardiologischen Gesellschaft wird für Risikopatienten ein LDL-Wert unter 70 mg/dl beziehungsweise 55 mg/dl und eine Senkung um ≥ 50 Prozent vom Ausgangswert empfohlen. Das ist nur mit den hochpotenten Statinen Atorvastatin und Rosuvastatin zu schaffen. Niederpotente Statine wie Simvastatin, Fluvastatin, Pravastatin und Pitavastatin haben einen Stellenwert bei Statinintoleranz oder Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung.

Wussten Sie, dass ...
  • sich Typ-2-Diabetes nicht auf eine einzige Ursache zurückführen lässt?
  • Insulinresistenz ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Typ-2-Diabetes ist?
  • das Fettgewebe Peptidhormone wie Adiponectin freisetzt, die den Stoffwechsel beeinflussen?
  • das metabolische Syndrom im Zusammenhang mit dem Polyzystischen Ovarsyndrom gebracht wird?
Mann steht vor offenem Kühlschrank

Die Deutsche Adipositas Gesellschaft empfiehlt zur Gewichtsreduktion ein tägliches Kaloriendefizit von etwa 500 bis maximal 800 Kilokalorien.
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Am HV-Tisch

Häufig fühlen sich Patienten durch die Fülle an Informationen überfordert und stehen mit jeder Menge Fragen am HV-Tisch. PTA können dann für Klarheit sorgen und ihren Kunden hilfreiche Ratschläge rund um das Thema Lebensstiländerung geben. Nutzen Sie die Gelegenheit und motivieren Sie Ihre Patienten zu gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität. Die Apotheke bietet viele Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen.

Zudem eignet sie sich hervorragend für eine Erstuntersuchung. Der Taillenumfang sollte bei Frauen unter 88 Zentimetern und bei Männern unter 102 Zentimetern liegen. Handliche Messgeräte erlauben die unkomplizierte Erhebung von Blutdruck, Blutglukose und Fettwerten. Mit wenigen Handgriffen können PTA also ganz leicht Risikopatienten identifizieren.

Anstatt Betroffene einfach an den Arzt zu verweisen, können Sie mit Infomaterial sowie ersten Tipps für einen gesunden Lebensstil Vertrauenspunkte sammeln. Risikopatienten profitieren von:

  • Gewichtsabnahme um fünf bis sieben Prozent innerhalb von drei Monaten
  • mindestens 2,5 Stunden körperlicher Aktivität pro Woche
  • mindestens 15 Gramm faserhaltigen Ballaststoffen pro 1.000 Kilokalorien
  • höchstens 30 Prozent Fettanteil in der Nahrung
  • höchstens sieben bis zehn Prozent gesättigter Fettsäuren in der Nahrung.

Konzepte zur Gewichtsreduktion

Das geeignete Konzept aus der Vielfalt an angebotenen Programmen zur Gewichtsreduktion respektive Diäten zu finden, ist gar nicht so einfach. Manche sind einseitig in der Lebensmittelauswahl, nur als kurzfristige Maßnahme angelegt oder widersprechen gänzlich wissenschaftlichen Erkenntnissen. Andere sind kardiovaskulären Risikopatienten schlicht nicht zumutbar. Die Deutsche Adipositas Gesellschaft empfiehlt zur Gewichtsreduktion ein tägliches Kaloriendefizit von etwa 500 bis maximal 800 Kilokalorien. Das lässt ausreichend Spielraum für eine individuelle Lebensmittelauswahl. Diäten mit Aussicht auf Erfolg zielen auf eine dauerhafte Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ab. Idealerweise sind sie abwechslungsreich und integrieren möglichst viele Lebensmittelgruppen.

Kohlenhydratzufuhr reduzieren-- Durchschnittlich nehmen Erwachsene täglich 200 bis 250 Gramm Kohlenhydrate zu sich. Low-Carb-Diäten schränken diese Menge mehr oder weniger stark ein. Kartoffeln, Brot, Reis, Nudeln und gezuckerte Getränke werden durch protein- und fettreiche Lebensmittel ersetzt. Ziel ist es, den Blutglukosespiegel niedrig zu halten und den Körper auf Fettverbrennung umzustellen. Weil dabei vermehrt Ketonkörper entstehen, die über die Nieren ausgeschieden werden müssen, und aufgrund des hohen Proteinanteils ist Patienten mit Nierenfunktionsstörungen von dieser Diätform abzuraten.

Fettzufuhr reduzieren-- Das Pendant zu Low-Carb- sind Low-Fat-Diäten mit einer Fettzufuhr von weniger als 60 Gramm pro Tag. Diese Ernährungsform erfordert etwas Übung, da Fette Geschmacksträger sind, sich in unzähligen verarbeiteten Lebensmitteln verstecken und Kunden sich an den sparsamen Gebrauch von Koch- und Streichfetten bei der Speisezubereitung gewöhnen müssen. Neben der Menge sollte man auch auf die Qualität der Fette achten. Seefische, kaltgepresste Öle, Nüsse und Samen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind gesättigten Fettsäuren aus Käse, Butter, Wurst und Fleisch vorzuziehen.

Energiereduzierte Mischkost-- Hier wird die Energiezufuhr insgesamt reduziert: Es werden etwa 500 bis 800 Kilokalorien pro Tag weniger aufgenommen. Kunden sollten sowohl die Quantität als auch die Qualität ihrer Lebensmittel berücksichtigen, damit es nicht zu einem Mangel an Nährstoffen kommt. Empfehlenswert ist eine geringere Fettzufuhr bei hoher Fettqualität (z. B. ungesättigte Fettsäuren), eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr mit wenig raffiniertem Zucker, eine hohe Ballaststoffdichte und eine Proteinzufuhr von mindestens einem Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.

Intermittierendes Fasten-- Der Fokus dieser Ernährungsform liegt weniger auf dem Energiewert, sondern vielmehr auf den Zeitabständen zwischen den Mahlzeiten. Man könnte es auch „Essen mit Pausen“ nennen. Perioden, in denen Patienten eine gewisse Zeit lang nichts essen dürfen, wechseln sich mit Perioden ab, während derer gegessen werden darf, was und so viel man will.

Nach vielversprechenden Tierstudien konnten Studien mit übergewichtigen oder adipösen Menschen keine Überlegenheit des intermittierenden Fastens gegenüber anderen Diäten nachweisen. Das Gewicht lässt sich mit allen Ansätzen gleichermaßen reduzieren – solange man sich an die Vorgaben hält.

Lebensstiländerung steht beim metabolischen
Syndrom im Vordergrund. Bleiben
die Werte dennoch zu hoch, ist eine
medikamentöse Behandlung indiziert.

Lebensstiländerung steht beim metabolischen Syndrom im Vordergrund. Bleiben die Werte dennoch zu hoch, ist eine medikamentöse Behandlung indiziert.
© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Mone Beeck

Prognose und Vorsorge

Das metabolische Syndrom erhöht das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Typ-2-Diabetes. Die Gefahr, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten, liegt vierfach über der Norm. Die Wahrscheinlichkeit, frühzeitig zu versterben, ist um das Zwei- bis Dreifache höher. Je früher die Symptome erkannt und behandelt werden, desto eher lassen sich die Folgeerkrankungen abmildern. Gewicht zu verlieren, senkt den Blutglukosespiegel und macht den Körper wieder empfindlicher für körpereigenes Insulin. Regelmäßige körperliche Bewegung hat einen ähnlichen Effekt und stärkt darüber hinaus das Herz-Kreislauf-System.

Haben Kunden bereits eine Erkrankung aus dem metabolischen Symptomenkomplex, ist besondere Vorsicht geboten. Gut eingestellte Fett-, Blutdruck- und Blutglukosewerte können verhindern, dass sich die Beschwerden verschlimmern oder weitere hinzukommen. Patienten, die sich bewusst und ausgewogen ernähren, regelmäßig bewegen, auf Nikotin und Alkohol verzichten und ihre verordneten Medikamente einnehmen, haben die größten Chancen auf ein langes, gesundes Leben.

Interessenskonflikt: Der Autor erklärt, dass keinerlei Interessenskonflikte bezüglich des Themas vorliegen.

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