Melatonin als Einschlafhilfe: Unbedenklich oder nicht?

(kib) Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin gibt es unter anderem als Gummibonbons, Sprays und Kapseln. Doch können diese ohne Bedenken als Einschlafhilfe empfohlen werden? Das Bundesinstitut für Risikobewertung meint: Nein. Und rät vor allem bestimmten Personengruppen von der unkontrollierten Einnahme ab.

12.08.2024

Junge Frau im gestreiften Pyjama schläft im Bett, neben ihr ein Wecker auf 12 Uhr gestellt.
© Foto: alfa27 / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Nahrungsergänzungsmittel mit dem Inhaltsstoff Melatonin sollen laut Herstellern das Einschlafen erleichtern und den Schlaf verbessern. Das Spektrum dieser in  Apotheken, Drogerien und im Online-Handel erhältlichen Produkte hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Zu den möglichen Gesundheitsrisiken hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nun eine Stellungnahme herausgegeben.

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Körpereigenes Hormon

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das neben der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus auch an der Regulation anderer Funktionen im Körper beteiligt ist.

In verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit definierten Verwendungsbedingungen ist der Wirkstoff zugelassen, beispielsweise zur zeitlich begrenzten Behandlung von Schlafstörungen bei Personen ab 55 Jahren sowie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung und/oder Smith-Magenis-Syndrom, einer seltenen Erbkrankheit.

Nahrungsergänzungsmittel hingegen sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Sie unterliegen im Unterschied zu Arzneimitteln keiner Zulassungspflicht und werden somit nicht generell auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit hin geprüft.

Wie die Recherchen des BfR zeigen, entspricht oder übersteigt die empfohlene Tagesdosis an Melatonin in manchen Nahrungsergänzungsmitteln die übliche Dosierung zugelassener melatoninhaltiger Arzneimittel.

Unerwünschte Effekte nicht ausgeschlossen

Welche gesundheitliche Risiken mit der Einnahme melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere bei Langzeitanwendung, verbunden sein könnten, wurde bisher nur unzureichend untersucht. Daher gibt es mit Blick auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit keinen Richtwert für die Zufuhr von Melatonin über Nahrungsergänzungsmittel.

Doch die Experten weisen darauf hin, dass die Aufnahme melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel mit unerwünschten gesundheitlichen Effekte verbunden sein kann. Zu den häufigsten bei Erwachsenen zählen:

  • ausgeprägte Tagesmüdigkeit
  • verringerte Aufmerksamkeit
  • verlängerte Reaktionszeiten

Dies kann etwa im Straßenverkehr oder bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten das Unfallrisiko erhöhen. Andere mögliche unerwünschte Effekte im Zusammenhang mit der Einnahme von Melatonin sind unter anderem Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Reduktion der Körpertemperatur, Albträume, Kraftlosigkeit und Gangunsicherheit.

Ist das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht, sollte Melatonin nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden.

Die derzeit vorhandenen Daten aus wissenschaftlichen Studien legen der Stellungnahme zufolge nahe, dass zumindest bei einigen Personengruppen weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzukommen können. So zeigen beispielsweise Untersuchungen an Erwachsenen, dass eine einmalige Einnahme von Melatonin akut den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann.

Daraus ergibt sich die Frage, ob eine langfristige Einnahme das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen könnte. Das BfR empfiehlt Personen mit einem erhöhten Risiko für diese Stoffwechselerkrankung deshalb, Melatonin nur nach ärztlicher Rücksprache einzunehmen.

Kinder und Jugendliche

Andere Untersuchungen an Erwachsenen zeigten bei Einnahme vergleichsweise niedriger Dosierung von Melatonin einen Einfluss auf verschiedene Hormone, etwa auf die Konzentration des Wachstumshormons GH. Ob unter längerfristiger oraler Zufuhr von Melatonin Längenwachstumsveränderungen bei Kindern und Jugendlichen auftreten könnten, ist momentan ungewiss und erfordert weitere Untersuchungen.

Zudem ist unklar, inwiefern oral zugeführtes Melatonin einen Einfluss auf die individuelle hormonelle beziehungsweise pubertäre Entwicklung haben könnte. Aus diesem Grund sollten Kinder und Jugendliche nach Ansicht des BfR melatoninhaltige Nahrungsmittel nicht unkontrolliert einnehmen.

Schwangere und Stillende

Das Gleiche gilt für Schwangere, Stillende und Frauen mit Kinderwunsch, da das Hormon auf die Ungeborenen im Mutterleib, beziehungsweise auf die Muttermilch übergeht und Babys Melatonin nur sehr langsam abbauen können.

Weitere Personengruppen

Schließlich gehören Personen mit einer Einschränkung der Leber- und/oder Nierenfunktion sowie Personen, die an einer Autoimmunerkrankung oder an Epilepsie leiden, zu den Bevölkerungsgruppen, die wegen möglicher gesundheitlicher Risiken auf die unkontrollierte Aufnahme melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel verzichten sollten.

Aufgrund möglicher Wechselwirkungen zwischen Melatonin und bestimmten Arzneistoffen sollten Personen, die Arzneimittel einnehmen, eine Einnahme von Melatonin vorher ärztlich abklären. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Zusammenhang mit der Verwendung bestimmter blutdrucksenkender Arzneistoffe, Gerinnungshemmer oder Antidepressiva.

Individuelle Verstoffwechselung

Grundsätzlich ist zu beachten, dass es von Mensch zu Mensch erhebliche Unterschiede beim Abbau von oral aufgenommenem Melatonin gibt. Das hängt unter anderem mit dem Lebensalter und individuellen genetischen Merkmalen zusammen. Dadurch kann es bei einigen Personen zeit- und dosisabhängig zu überhöhten Spiegeln an Melatonin im Körper, verbunden mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten unerwünschter gesundheitlicher Wirkungen, kommen.

Daher sollten aus Sicht des BfR auch erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher, die im Allgemeinen gesund sind, melatoninhaltige Nahrungsmittel nicht unkontrolliert, insbesondere nicht regelmäßig über einen längeren Zeitraum, einnehmen.

Quelle: BfR

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